Die Analphabetin, die rechnen konnte

Petra Bohm | Posted 19/11/2013 | Belletristik | Keine Kommentare »

Der „Zweitling“ nach dem Überraschungserfolg eines Bestsellerdebüts hat es immer schwer – die Erwartungen sind hoch. Doch JA, die „Analphabetin“ ist genauso lesenswert wie der „Hundertjährige“ und ein echter Pageturner. Für Jonasson-Fans so oder so ein MUST READ, aber auch für alle anderen Leser, die aberwitzige Geschichten lieben…

Nicht ganz erklärlich ist mir die Kritik, die teilweise auftaucht, hier sei „nur“ ein Erfolgskonzept kopiert worden. OK, der Schwede scheint eine Vorliebe für Atomwaffen und Protagonisten, die entweder genial oder unfassbar dumm sind, zu besitzen. Na und? Wir alle schauen uns mit Begeisterung jeden neuen James-Bond-Film an, lesen den zehnten Mankell nach bewährtem Strickmuster oder freuen uns über einen neuen Roman aus der Feder von David Safier. Auch Jonas Jonasson bleibt seinem lakonisch unbekümmerten, leicht naiven Sprachstil treu und jagt seine neue Protagonistin wiederum voller Anarchie durch die Zeitgeschichte und um die halbe Welt. Dabei übertrifft er sich zwar nicht selbst, aber erreicht absolut den Lesespass des Millionenbestsellers. Was will man mehr?

Die junge Waise Nombeko wächst in den 60er Jahren in einem südafrikanischen Slum auf. Nachdem sie mit 15 Jahren von einem Weissen überfahren wird, wird die Analphabetin laut Arpartheids-Gesetzgebung als Schuldige (weil schwarz) verurteilt und muss sich als Putzfrau bei einem Atomwaffeningenieur verdingen. Da sie nicht nur ein Rechengenie, sondern insgesamt unglaublich klug ist, hilft sie mehr oder minder zufällig bei der Konstruktion nuklearer Sprengköpfe mit. Nach einem besonders brisanten Geschäft setzt sich Nombeko mit Hilfe des Mossad samt einer Atombombe nach Schweden ab und bringt mal eben die gesamte Weltpolitik durcheinander…

Hinter allem Witz blitzen auch diesmal ernste Themen vor, der Autor rechnet mit dem Fundamentalismus in all seinen Erscheinungsformen ab und um allen Pointen folgen zu können, sind rudimentäre Geschichtskenntnisse hilfreich (es darf auch gegoogelt werden!). Das gesamte Personal ist sympathisch und liebevoll bis ins Detail gezeichnet. Jonasson scheucht seine Leser förmlich mit der jungen Nombeko durch die 440 Seiten mit einem Stakkato überraschender und abgedrehter Wendungen, so dass man die Buchdeckel erst nach einem Wochenende voller verpasster Telefonate und abgesagter Verabredungen befriedigt zuklappen kann.

Kühlschrank füllen, Handy aus, Kuscheldecke raus und in einem Rutsch durchlesen!

P.S. Bestimmt auch toll als Hörbuch, gelesen von der grossartigen Katharina Thalbach.

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