Anlässlich der Rezensionsrichtlinien, die künftig bei Blanvalet, Limes und Penhaligon erfüllt werden müssen (hier nachzulesen bei Lesekreis.org), entspinnen sich innerhalb der Bloggerszene hitzige Diskussionen. Hier und da fühlt man sich bevormundet, eingespannt als Werbeinstrument, gar in seiner Freiheit beschnitten, einen Text in bestimmter Art und Weise zu strukturieren. Ich muss persönlich sagen, dass mich diese Debatten doch überraschen. Da schreiben User sowas wie ‘Ich würde hier aus Prinzip trotzig reagieren‘ oder ‘Ich bespreche ja zum Glück keine Rezensionsexemplare mehr, aber hätte man mir damals solche Regeln zugeschickt, ich hätte von dem Verlag kein einziges Buch mehr besprochen‘. Warum diese Entrüstung? Weshalb diese Neigung dazu, sich durch alles gemaßregelt zu fühlen, was bestimmte Verhaltensrichtlinien nahelegt? Liest man nur die Reaktionen einzelner Blogger, könnte man meinen, hier sei jedes Wort vorgeschrieben, ja, das Fazit bereits vorweggenommen worden, stattdessen geht es um bestimmte inhaltliche Erfordernisse an eine Rezension, die vollkommen selbstverständlich sind.
Buchblogs schießen in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden. Schwer zu sagen, wie viele es bereits im Web gibt, die privat, neben Schule oder Beruf, Rezensionen zu von ihnen gelesenen Büchern veröffentlichen. Die Qualität ist schwankend, die Verlage aber haben festgestellt, dass ihnen mit Buchbloggern im Idealfall ein kostengünstiges Werbemedium zur Verfügung steht. Der Blogger muss nicht entlohnt werden, denn in der Regel besitzt er keinerlei journalistische Qualifikation, nur der Versand von Rezensionsexemplaren erfordert finanziellen Aufwand. Umso ärgerlicher für die Verlage, wenn sie von Bloggern nach Versand eines Freiexemplars nie mehr wieder etwas hören. Oder aber die Rezension nicht einmal den geringsten qualitativen Standards entspricht und das Fazit sich lediglich auf ‘Joa, war gut, würde ich sehr empfehlen‘ beläuft. Hier sehe ich aber ein grundsätzliches Problem in Diskussionskultur und Umgang mit Kritik. Nicht jeder ist dazu geboren, Rezensionen zu schreiben, manch einer beherrscht nicht einmal die Grundregeln deutscher Rechtschreibung, will sich aber fundiert über ein Buch äußern, das er kürzlich gelesen hat. Das kann er in privatem Rahmen sicherlich tun, was aber sollte ihn dazu qualifizieren, wie entsprechende Printmedien mit kostenlosen Exemplaren versorgt zu werden? Mit stolzgeschwellter Brust ins professionelle Metier springen tut nicht jedem gut. Immer öfter reift in mir der Eindruck heran, dass wir uns in einer Art Konsensgesellschaft befinden, in der es verpönt ist, ehrlich und aufrichtig miteinander umzugehen.
Zu Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit gehört für meine Begriffe auch, jemanden darüber in Kenntnis zu setzen, dass das, was er tut, möglicherweise nicht seinem Talent entspricht. Das muss ihn noch nicht davon überzeugen, es sein zu lassen, aber niemand wird dadurch besser, dass man ihm pausenlos Honig ums grinsende Maul schmiert. Arbeit an sich selbst und seinen Fertigkeiten ist niemals abgeschlossen. Vor einiger Zeit gelangte ich auf eine Seite, die sich mit Fotografie beschäftigte. Die Betreiberin stellte einige ihrer Arbeiten vor, ja, hatte sogar einen Vertrag online gestellt, den es zu unterschreiben galt, wenn man von ihr fotografiert werden wollte. Dabei waren die Bilder handwerklich schlecht, vermutlich hätte niemand, der auch nur entfernt etwas von Fotografie versteht, von dieser Dame Fotos anfertigen lassen. Warum aber ist es so verpönt und anstößig, jemandem zu sagen, dass er noch einiges an Arbeit vor sich hat, bis er sich Fotograf nennen darf? Warum gilt es als unhöflich, darauf hinzuweisen, dass Fotografie mehr ist als das ambitionierte Herumspielen mit Kontrasteffekten? Oder, adäquat zum Buchblogging: Weshalb wird es von der Buchbloggerszene offensichtlich vereinzelt so vehement abgelehnt, dass es auch formale Richtlinien für eine Rezension gibt? Dass nicht alles, was grob die Handlung zusammenfasst und ein Fazit nach sich zieht, gleich eine gewinnbringende und hilfreiche Rezension, ja, überhaupt eine Rezension ist?
Eine Rezension sollte mehr als ein kurzer Tipp oder die Wiedergabe des Klappentextes sein. Eine Inhaltsangabe (ggf. mit Warnhinweisen bei Spoilern), eigene Meinung/Fazit, Autoreninfos, bibliografische Angaben, Bilder, etc. runden eine schöne und interessante Rezension ab.
…sagt Sebastian Rothfuss, zuständig für die Pressearbeit bei Blanvalet, Limes und Penhaligon. Eine Selbstverständlichkeit, könnte man meinen und mehrheitlich wird das von Bloggern auch so rezipiert. Für mich ist es völlig nachvollziehbar, solche Vorgaben zu machen, schließlich will ich doch etwas, wenn ich bei einem Verlag nach einem Rezensionsexemplar frage. Der Verlag kann gut und gern auch ohne meine Meinung Bücher verkaufen. Darüber hinaus scheint es Mode geworden zu sein in der Bloggerszene – wie es allen Szenen so eigen ist, sie treiben ab einer bestimmten Größe bisweilen absurde Blüten – sein Lesen zu zelebrieren, zu präsentieren.
Ein Auswuchs der Facebook-Gesellschaft, die so sehr damit beschäftigt ist, sich selbst und ihre Vorzüge in ansprechender Weise darzustellen, dass sie ganz vergisst, wer sie ist und weshalb sie das tut. So scheint es auch vielen Buchbloggern zu ergehen, die ein diebisches Vergnügen daran finden, Listen um Listen online zu stellen, auf denen man eine Menge Informationen versammelt findet, die nichts mit Literatur zu tun haben. Da wird auch mal stolz in die Kamera verkündet, dass man diesen Monat 4000 Seiten gelesen hat. Eine Aussage, die mindestens ebenso nichtssagend ist wie eine Wetter-App, die mich über das Wetter in Kurdistan informiert. Wieder Selbstdarstellung? Seht her, ich bin ein lesender, ein intelligenter und belesener Mensch, der sich abhebt von denen, die ein Buch nicht mal mit der Kneifzange anfassen würden.
Letztlich muss jeder selbst wissen, wie er seinen Blog strukturiert, was er besprechen möchte und wie. Man sollte sich darüber im Klaren sein, wen man erreichen will und weshalb man überhaupt tut, was man tut. Ist es ein Hobby? Soll es mal zum Beruf werden? Besitzt man die dafür erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten und wenn nicht, kann man sie sich aneignen? Diese Richtlinien und Vorgaben sind vermutlich eine Notwendigkeit in der Szene, die sich häufig viel zu gern selbst feiert und bespiegelt, die viel zu gern darstellt, was sie alles gerafft hat, statt sich ernsthaft mit einer Lektüre auseinanderzusetzen. (Und um der Wahrheit die Ehre zu geben – nicht jede Lektüre gibt es auch her, sich intensiv mit ihr auseinanderzusetzen! – eine formal ansprechende Rezension sollte man allerdings selbst über den Struwwelpeter zustandebringen und insbesondere dann, wenn man den Struwwelpeter völlig umsonst bekommen hat!) Ich bin gespannt, ob der Debatte noch ein Erkenntnisgewinn folgt, ob sich die Bloggerszene verändert, verkleinert, immer weiter diversifiziert. Es bleibt spannend.
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