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Prägung
von Holger M. Pohl

Diese Kurzgeschichte ist Teil der Kolumne:

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Crossvalley Smith Crossvalley Smith
© http://www.crossvalley-design.de
„Was soll das?“, fragte der große, schlanke Rowener unwirsch und bedachte Darkener mit einem für seine Rasse typischen arroganten Blick.
„Vorschrift, Toon“, gab der junge Mann zurück. „Ich muss Ihr Handgepäck untersuchen.“
„Wissen Sie nicht, wer ich bin?“
Natürlich wusste der Raumpolizist, wen er vor sich hatte: Tamorturkal, ein hohes Mitglied des Rowenischen Rates. Doch das war ohne Bedeutung. Zunächst einmal war der Rowener ein Passagier des vor kurzem angekommenen Raumschiffes und wollte nach AMELONG einreisen. AMELONG, der Wissenschaftsplanet der Föderation, war mit all seinen oft geheimen Forschungen einer der wenigen Planeten der Föderation, auf den man nicht so ohne weiteres einreisen konnte. Natürlich war vieles automatisiert, doch die persönliche Kontrolle der Reisenden überließ man nicht einem Automaten. Jeder musste sich ihr unterziehen. Auch ein prominentes Mitglied des Rowenischen Rates und erst Recht, wenn er als einfacher Reisender daherkam, statt mit einem Diplomatenschiff einzureisen.
„Ich weiß, wer Sie sind, Toon“, gab Darkener schließlich zurück. „Doch das ändert nichts daran, dass ich meine Vorschriften habe.“
Wieder bedachte ihn der Rowener mit einem arroganten Blick. „Wo ist Ihr Vorgesetzter? Ich will sofort mit ihm sprechen!“, wies er dann den zwei Köpfe kleineren Neuafrikaner an.
„Im Augenblick ist er leider unabkömmlich, Toon“, antwortete Darkener. Er wusste zwar nicht, ob Oberst Galon Jeren tatsächlich zu beschäftigt war, aber das spielte auch keine Rolle. Darkener war erst vor wenigen Wochen nach AMELONG versetzt worden, doch er hatte genügend Erfahrung um zu wissen, dass Fragen und Forderungen wie „Wo ist Ihr Vorgesetzter? Ich will sofort mit ihm sprechen!“ nichts anderes als Einschüchterungsversuche waren. Aber der junge Raumpolizist hatte nicht vor, sich von dem Rowener oder sonst jemanden einschüchtern zu lassen. Und Macht, Geld oder Einfluss beeindruckten ihn schon lange nicht mehr. Sie wurden dennoch immer wieder benutzt, um Eindruck zu schinden oder um etwas zu erreichen, was ansonsten nicht so einfach zu erreichen war.
„Das ist mir gleichgültig!“, herrschte Tamorturkal ihn an. „Ich will ihn sofort sprechen!“
Darkener seufzte innerlich. Nein, Macht. Geld und Einfluss verbesserten den Charakter nicht, im Gegenteil. Sie sorgten höchstens noch dafür, dass der schlechte Teil des Charakters an die Oberfläche kam. Seine ehemalige Freundin auf Neu-Afrika, Athena Laramie, war dafür das beste Beispiel.
„Ich werde ihn sofort verständigen lassen, Toon, und er wird sich sicher um Sie kümmern, sobald er irgendwie die Zeit dazu findet. Doch bis dahin…Ihr Gepäck bitte, Toon!“
Der Rowener war jedoch nicht bereit nachzugeben. „Ich werde mein Gepäck nicht überprüfen lassen.“
Es war immer dasselbe mit den großen Bossen, den ranghohen Militärs oder den wichtigen Politikern: einerseits erließen sie Vorschriften und Gesetze und forderten deren Einhaltung. Andererseits galten genau diese Vorschriften und Gesetzte natürlich nicht für sie. Allerdings würden sie jede Nachlässigkeit oder Missachtung unnachgiebig verfolgen…solange es nicht zu ihrem Nachteil war.
„Dann kann ich sie nicht passieren lassen. Wenn Sie bitte zurücktreten würden, damit der Nächste an die Reihe kommt.“
Für einen Augenblick sah es so aus, als würde sich Tamorturkal abwenden und dieser Aufforderung Folge leisten. Vielleicht, weil er sich dachte, er könne einen anderen Schalter benutzen und dort problemlos einreisen. Doch dann blieb er stehen und sah Darkener an. „Nein!“, meinte er bestimmt und voller rowenischer Überheblichkeit.
Es war ein Machtspiel, dessen war sich der Neuafrikaner bewusst. Er verabscheute diese Situation, erlebte sie aber nicht zum ersten Mal. Bei einem anderen hätte Tamorturkal längst passieren dürfen. Er aber gab sich so wenig geschlagen wie der Rowener.
„Dann befürchte ich, dass ich Sie festnehmen muss.“
„Das wagen Sie nicht, Terraner!“
Darkener schüttelte den Kopf. „Neuafrikaner, Toon. Ich stamme von Neu-Afrika und bin kein Terraner!“
Der Rowener lächelte in der für seine Rasse typischen, arroganten Art. „Neu-Afrika ist, soweit ich mich an diesen kleinen Planeten erinnere, eine Kolonie von Terra – oder Erde, wie der Planet auch gerne genannt wird –, damit sind Sie für mich ein Terraner. Ein junges, unreifes Volk, wie ich anmerken möchte. Wir Rowener hatten seinerzeit gegen die Aufnahme der Erde in die Föderation gestimmt.“
„Damals ist damals und heute ist heute, Toon“, erwiderte Darkener ruhig. „Und nichts ändert etwas an der jetzigen Situation.“ Er war sich darüber im Klaren, dass die Sache von den anderen Reisenden aufmerksam verfolgt wurde. Allerdings gab es keine ungeduldigen Rufe oder ähnliches. Die meisten schienen die Auseinandersetzung zwischen dem jungen Raumpolizisten und dem Rowener sogar amüsant zu finden. „Wir haben drei Möglichkeiten, Toon. Erstens: Sie lassen mich Ihr Gepäck kontrollieren und können sofort einreisen, wenn ich nichts finde. Zweitens: Ich kontrolliere es und finde etwas und Sie können nicht einreisen. Drittens: ich kontrolliere es nicht und Sie reisen in keinem Fall ein, gleichgültig ob ich etwas finden würde oder nicht.“ Er sah den Rowener scharf an. „Doch gleichgültig wie, wenn Sie sich nicht bald entscheiden, werde ich Sie festnehmen lassen, weil Sie den Ablauf hier behindern!“
Für ein paar Augenblicke standen sie sich gegenüber und starrten sich an: da der mehr als zwei Meter große, schlanke Rowener mit dem arroganten Gesichtsausdruck seiner Rasse; hier der Neuafrikaner, dessen Miene Ruhe und Gelassenheit zeigte.
Plötzlich vernahm Darkener eine Stimme in seinem Rücken. „Ich soll dich ablösen, Darkener, und Oberst Jeren will dich sprechen. Sofort!“ Das letzte Wort wurde mit einem Ton hinzugefügt, der keinen Widerspruch und keinen Aufschub duldete.
Langsam drehte er sich um. Hinter ihm stand Nergul Plogart, ein Heproke, und wie Darkener Raumpolizist und für die Einreisekontrolle am Raumhafen von AMELONG zuständig. Die Ablösung kam früh, sie hätte erst in zwei Stunden stattfinden sollen.
Der Neuafrikaner zögerte einen Augenblick, doch Plogart machte ein aufforderndes Zeichen. Darkener hob die Schultern und nickte. Er warf dem Rowener einen kurzen Blick zu und sah, dass sich das arrogante Lächeln vertieft hatte. Dann machte er sich auf den Weg zu seinem Vorgesetzten. Als er sich entfernte, hörte er Plogarts freundliche Stimme: „Sie können selbstverständlich passieren, Toon. Entschuldigen Sie bitte das Missverständnis. Darkener ist er seit kurzer Zeit auf AMELONG und kennt die hiesigen Verhältnisse noch nicht. Eine Kontrolle ist in Ihrem Fall natürlich nicht notwendig!“

Oberst Jeren war ein Koloss. Wie alle Kalaren. Als Darkener sein Büro betrat, wusste er schon, was kommen würde.
„Sind Sie verrückt, Darkener?“, fuhr der Kalare ihn an, kaum das sich die Türe automatisch hinter Darkener geschlossen hatte. Natürlich wurde der Neuafrikaner nicht aufgefordert Platz zu nehmen. „Kren Tamorturkal ist Angehöriger des Rowenischen Rates und im Vorstand zahlreicher Unternehmen, die die Forschungen auf AMELONG finanziell fördern. Und Sie wollen das Gepäck des Rates kontrollieren als sei er ein x-beliebiger Tourist?“
„Die Vorschriften, Toon…“, begann Darkener, doch Jeren unterbrach ihn: „Was sind Sie, Darkener? Ein Vorschriftenreiter? Bei Grool, ich dachte, Sie wüssten, wann die Vorschriften wie ausgelegt werden müssen – und bei wem!“
‚Vorschriften gelten zunächst einmal für alle’, dachte Darkener. Laut meinte er: „Nein, ich bin kein Vorschriftenreiter, Toon, aber…“
Wieder unterbrach ihn der kalarische Oberst: „Nichts aber, Sie Schwachkopf! Vorschriften sind gut und schön, doch für jemanden wie Tamorturkal gelten sie nicht so, wie Sie es anscheinend denken! Er ist eine wichtige Person, hier auf AMELONG ebenso wie daheim auf ROWEN. Er kann uns Ärger machen!“ Das großflächige, runde Gesicht des Kalaren verzog sich zu einem bösen Lächeln. „Und Ihnen hat er bereits Ärger gemacht!“
„Das weiß ich, Toon.“ Der junge Neuafrikaner wirkte immer noch ruhig und gelassen. „Nichtsdestotrotz gelten auch für ihn die Vorschriften!“
Jeren stand auf. Er war nicht größer als Darkener, doch weitaus breiter und massiger. „Ich sage das jetzt genau einmal, Darkener: wenn in Zukunft jemand wie der Rowener vor Ihnen steht, dann grüßen Sie freundlich, fragen was Sie für ihn tun können und halten ihn ansonsten nicht weiter auf. Haben Sie mich verstanden?“
Darkener nickte langsam. „Ist das ein Befehl, Toon?“
„Was sollte es sonst sein?“ Der Kalare ließ sich schwer in seinen Sessel fallen. „Es ist nicht das erste Mal, dass Sie solche Eigenmächtigkeiten an den Tag legen, Darkener. Aber es war das vorletzte Mal! Noch einmal so etwas und Sie finden sich auf einem Posten der Raumpolizei wieder, an dem Sie alle Vorschriften der Galaxis einhalten können. Allerdings wird es ein sehr einsamer Posten sein.“ Er hob die Hand und winkte. „Und nun verschwinden Sie, ehe ich meine Nachsicht bereue!“
Darkener grüßte – vorschriftsmäßig natürlich – und verließ das Büro des Kommandeurs der Raumpolizei-Einheit von AMELONG.
Draußen blieb er stehen und atmete ein paar Mal tief durch. Jerens Standpauke ärgerte ihn. Aber nicht deswegen, weil er sie bekommen hatte. Ihn ärgerte der Grund, warum er sie bekommen hatte. Er hatte nichts anderes getan, als seine Pflicht zu erfüllen. Er hasste es, wenn jemand sich über Vorschriften und Gesetze allein aus dem Grund hinwegsetzen konnte, weil er mit Macht, Einfluss und Geld gesegnet war.
Er war ganz sicher kein Vorschriftenfanatiker, wie Jeren es wohl annehmen musste. Auch er ließ hin und wieder Ungerade Gerade sein. Darum ging es nicht. Vorschriften und Gesetze zu verletzen, war das eine. Dabei erwischt und zur Rechenschaft gezogen zu werden, das andere. Aber wenn jemand sich bewusst darüber hinwegsetzte und dies sogar ganz offensichtlich tat und dabei darauf pochte, er könne das einfach tun, weil er eben der war, der er war…dann gefiel ihm das ganz und gar nicht und er würde immer sein Bestes geben, das zu verhindern.
Die Gesetze der Föderation galten für alle. Es gab keine Zweiklassengesetze in der Föderation. Auch wenn Männer wie Tamorturkal oder Oberst Jeren das denken mochten.

25. Jul. 2008 - Holger M. Pohl

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