Bakterien: Die Lyriker der Zukunft.

In der nächsten Literatur wird die Lyrik lebendig: Christian Bök nimmt sich William S. Burroughs berühmten Satz „Das Wort ist ein Virus“ zu Herzen. Er pflanzt dem Bakterium Deinococcus radiodurans ein Gedicht ein: in die DNA.

Eine bestimmte Kombination der vier genetischen Nukleotide steht dabei für jeweils einen Buchstaben des Alphabets (Adenosin-Thymin-Cytosin zum Beispiel für a). Aus dem implantierten Gedicht synthetisiert das Bakterium wiederum ein Protein, dessen Struktur einem neuen Gedicht entspricht. Bök nennt das „living poetry“.

Damit verlässt die nächste Literatur den Elfenbeinturm. Ihre Autoren arbeiten interdisziplinär und knüpfen damit an eine alte Literaturtradition an. Goethe entdeckte den Zwischenkieferknochen. Bök schafft eine neue Bakterienspezies.

Deinococcus radiodurans ist im Stande, einen Fallout und das Vakuum des Weltalls ohne Mutation zu überstehen. Böks Gedicht könnte so das Einzige sein, das Außerirdische in ferner Zukunft von der menschlichen Literaturkultur finden werden. Ob sie Lust haben, Lyrik zu lesen, wissen wir nicht. Wir können es nur hoffen.