Dawn of the dead books

Am Ende der Buchkultur blüht der propagandistische Kitsch. Im Stop-Motion-Video “The Joy of Books”, das der kanadische Art Director Sean Ohlenkamp mit 25 freiwilligen Helfern produziert hat und das gerade millionenfach auf den Social-Media-Plattformen geteilt und begeistert kommentiert worden ist, wird der alte Topos vom Eigenleben der Bücher aufgenommen.

In Ohlenkamps Video beginnen die Bücher nach Ladenschluss zu tanzen. Sie sehen sich, sie lesen sich, sie ordnen sich neu, bis am nächsten Morgen der Laden wieder geöffnet wird.

Gefeiert wird das Video, weil es laut Ohlenkamp daran erinnert, dass nur die echten Bücher leben. “There’s nothing quite like a real book”, heisst es zum Schluss. “Books are not dead, they simply dance at night”, schrieb die trotzige Daily-News-Kritikerin und erklärte Ohlenkamp zum “literary soldier” im Kampf gegen die Digitalisierung.

Doch der Kitsch ist schlauer als seine Produzenten und Fans. Was “The Joy of Books” ins Bild setzt, ist nichts weniger als eine neue Generation von Enhanced E-Books, die auf den Leser gut verzichten können. Ihren Spass haben sie, wenn sie alleine sind und sich selbstständig miteinander vernetzen, um ihre Daten auszutauschen und sich ein Bild von ihren Lesern zu machen, ohne dass die etwas davon wissen.

Diese neuen Bücher führen ein echtes Eigenleben. Dadurch verkörpern sie für die Bewohner der Gutenberggalaxis das Unheimliche. “The Joy of Books” zeigt, dass die alten Bücher tatsächlich tot sind. Aber sie kommen wieder – als Untote.

Nachts, wenn alles schläft, nehmen Enhanced E-Books die nächste Buchhandlung auseinander.