Selber lesen macht dick
Bei McDonald's gibt es für jedes Happy Meal gratis ein Buch dazu
Soziologen und Trendforscher wissen: Die nächste Gesellschaft wird eine sein, die Schichtzugehörigkeit über die Möglichkeit definiert, online zu gehen und die neuesten Programme und Services über PC, Tablet, Smartphone oder eBook-Reader zu nutzen. Das wird nämlich ziemlich teuer. Nur Top-Verdiener werden sich Flatrates leisten können, mit denen man immer auf dem Laufenden bleibt. Wer da nicht mitkommt, wird sozial einfach abgehängt.
Unterschichtenprobleme: Fettleibigkeit und Bücher lesen
Für die Lesekultur bedeutet das eine epochale Verschiebung. Galt das Lesen von Büchern einst als Mittel, gesellschaftliche Barrieren zu überwinden und aufzusteigen, dreht sich das langsam aber sicher um. In zehn bis zwanzig Jahren wird das Lesen von Büchern zu einem Phänomen, an dem man die Zugehörigkeit zur Unterschicht erkennt.
Dass man diese Zugehörigkeit derzeit auch daran erkennt, dass besonders viel Fast Food konsumiert wird, ist in den letzten Jahren immer wieder unterstrichen worden. Es ist die gehäuft bei armen Kindern auftretende Fettleibigkeit, die etwa der Historiker und Publizist Paul Nolte einer „Mc Donaldisierten“ Moderne zuschreibt. Adipositas ist für ihn vor allem “ein Klassen-, ein Unterschichtenproblem – unbeschadet der Tatsache, dass man auch einzelne reiche Dicke finden wird.”
Besonders gefürchtet sind die arbeitslosen Junk Food-Mütter, die ihre Kinder auch im Hinblick auf die Ernährung verwahrlosen lassen. Ein weltweit bekannt gewordener Aufklärungs-Spot, der in Australien produziert wurde, zeigt eine von ihnen, wie sie ihrem Kind einen Hamburger zu essen gibt – und zwar so, als würde sie ihm Heroin spritzen. “You wouldn’t inject your children with junk”, heißt es darin mahnend, “so why are you feeding it to them?”
Junk Food für unsere kleinen Leser
Die Stiftung Lesen trägt nun ihren Teil dazu bei, dass aus dem “feeding” ein “reading” wird. Denn ab dem 31. August gibt es bei McDonald’s einen Monat lang für alle, die ein Happy Meal bestellen, kein Spielzeug, sondern ein Buch gratis dazu. Vier Bücher richten sich an Drei- bis Sechsjährige, vier weitere an Leser, die zwischen sechs und neun Jahre alt sind.
Bei der Stiftung Lesen weiß man, warum man “solche Wege gehen muss, die auf den ersten Blick vielleicht ungewöhnlich erscheinen”. Da derzeit fast ein Fünftel aller Fünfzehnjährigen über unzureichende Schreib- und Lesekompetenzen verfügt, sieht man sich zum Handeln gezwungen. Mit McDonald’s als Partner “kann eine außerordentlich hohe Zahl von Familien für das Lesen begeistert werden”.
Fett statt Flat
So versöhnt wenigstens das Happy Meal die Konsumenten damit, dass sie auch in der nächsten Gesellschaft beim Gedruckten bleiben müssen. Für sie bietet die Stiftung Lesen den Anschluss an das bundesdeutsche Fettnetz, während alle anderen sich draußen mit voller Kostenkontrolle schlank surfen dürfen.
“Mit dieser Aktion”, heißt es bei der Stiftung, “kommen wir unserem Ziel, Deutschland zum Leseland zu machen, einen weiteren Schritt näher.” Für Ernährungswissenschaftler dürfte das wie eine Drohung klingen.
Einen Ausblick auf den Erfolg der Aktion bietet schon jetzt dieses Video