Schauerliteratur 3.0
Die amerikanische Firma Artificial Muscle hat für den iPod touch eine Hülle entwickelt, die aus künstlichen Muskeln besteht. Die ziehen sich zusammen und dehnen sich, sobald sie den dafür notwendigen Befehl aus dem Gerät empfangen.
Mit der Muskelhülle sollen die Spiele, die man auf dem iPod spielt, noch viel echter wirken. “Das neue Gerät bildet verschiedene Tasteindrücke realistisch nach”, berichtet der Spiegel, “vom Rütteln eines Hubschraubers bis hin zum menschlichen Herzschlag.”
Für E-Books eröffnet sich damit ein ganz neues Spielfeld. Was früher nur ein toter Schutzumschlag für Bücher war, wird jetzt lebendig. Umschlaggestalter sind nicht mehr nur Designer. Sie sind Programmierer, die das Buch in Bewegung setzen.
Mit der Hülle von Artificial Muscle wird die neue E-Book-Ausgabe von Rainald Goetz’ Rave im Technorhythmus pumpen. Die Hülle des E-Books von Günter Grass’ späten Gedichten wird sich wie ein Zwerchfell verkrampfen. Und die Hülle vom SM-Bestseller Shades of Grey kommt schon nach vier Kontraktionen zum Orgasmus, wenn man mit der flachen Hand drauf schlägt.
Es kommt die Zeit, da werden die Umschläge nicht mehr für die Texte gemacht. Dann schreiben umgekehrt die Autoren Texte für neue geniale Hüllenprogramme, die den Leser die unglaublichsten Sensationen erleben lassen.
Damit wird die nächste Literatur eine Aufgabe haben, von der die alte Buchkultur nur träumen konnte: Sie wird dem bloß Äußerlichen einen inneren Sinn geben.
Das wird nicht nur dem E-Book einen wohligen Schauer über den Rücken jagen.