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“Querfront-Analyse”: die Otto-Brenner-Stiftung knöpft sich die Verschwörungstheoretiker von KenFM, Kopp & Co vor

Wolfgang Storz und seine "Querfront"-Analyse
Wolfgang Storz, früher mal Chefredakteur der Frankfurter Rundschau und eifriger Studien-Ersteller der Otto Brenner Stiftung (gehört zur IG Metall) hat sich in einer Mini-”Studie” mit dem “politisch-publizistischen Querfront-Netzwerk” auseinandergesetzt. Damit gemeint sind Figuren wie der frühere Radio-Moderator Ken Jebsen (“KenFM”) oder Organisationen wie der Kopp-Verlag.
Zunächst einmal sollte geklärt werden, was mit dem Begriff “Querfront” gemeint ist: Der kämpferisch klingende Begriff bezeichnet die Aufhebung von klassischen, ideologischen Links-Rechts-Kategorien. Eine “Querfront”-Veranstaltung ist demnach zum Beispiel, wenn es in einem Aufruf zu einer Demo anlässlich des Ukraine-.Konflikts heißt, Antifa und Pegida, Linke und Rechte sollten “zusammen marschieren”.
Storz’ These ist es, dass verschiedene Personen und Organisationen in Deutschland ein politisch-publizistisches Netzwerk bilden, das sich nicht in traditionelle Links-Rechts-Kategorien einsortieren lässt. Hervorstechendes Merkmal dieses “Netzwerks” sei es, dass es vor allem gegen “die da oben” agiert. Also im wesentlichen gegen die Regierung, gegen Eliten und gegen so genannte “Systemmedien”, auch bekannt als “Mainstreammedien, bzw. “Lügenmedien”.
Storz zählt zu diesem Netzwerk Einzelpersonen wie den ehemaligen Radiomoderator Ken Jebsen, den Publizisten Jürgen Elsässer, der u.a. das Monatsmagazin Compact herausgibt, Lars Mährholz, Initiator der so genannten Montagsmahnwachen, Ivo Sasek, Gründer der “Organischen Christusgemeinde” und “Anti-Zensur-Koalition” in der Schweiz sowie weitere ähnlich dubiose Zeitgenossen.
Zum Netzwerk gehören laut Storz auch Organisationen wie der leidlich bekannte Kopp-Verlag, in dem zahlreiche Bücher mit verschwörungstheoretischem Inhalt erscheinen und der publizistischen Brandstiftern wie Udo Ulfkotte eine verlegerische Heimat gibt, der Homilius-Verlages, einer der Gesellschafter des Compact-Magazins, die Website Alternativ.TV sowie die Preußische Allgemeine Zeitung u.a..
Der Verdienst von Storz’ Analyse (eine echte Studie ist es nicht) ist es, zwischen diesen mehr oder weniger bekannten Figuren und Organisationen des trüben Spektrums mannigfaltige Verflechtungen aufzuzeigen. So inseriert die Preußische Allgemeine Zeitung beispielsweise regelmäßig in Compact, Compact-Chef Elsässer wird gerne von Ken Jebsen interviewt, Elsässer trat auf Montagsmahnwachen auf usw.. Storz nimmt diese Verbindungen und ein homogenes Weltbild als Belege dafür, von einem “Netzwerk” zu sprechen. Die Gruppen, Organisationen und Personen, die er untersucht, bezeichnen sich selbst nicht als Netzwerk.
Hilfreich an Storz’ Papier ist außerdem, dass er die Ideologie dieses so genannten “Querfront-Netzwerks” gut zusammenfasst:
Das hier porträtierte Netzwerk beschäftigt sich im Kern mit grundsätzlichen Fragen der nationalen Identität, Homogenität und Eigenständigkeit Deutschlands und Europas. Das zeigt sich bei einer Durchsicht der (bereits beschriebenen) Inhalte von „Compact“, die weitgehend auch die wesentlichen Themen aller Netzwerk-Akteure sind:
die Ablehnung von Euro und EU-Bürokratie
Sorge um die Stabilität des Geldsystems
Souveränität Deutschlands (vor allem gegenüber den USA) erkämpfen
ein gutes Verhältnis zu Russland schaffen
den Nationalstaat stärken
sich auf das ‚christliche Abendland‘ besinnen
die Familie stärken
eine als ‚zu groß‘ empfundene Liberalität und Pluralität (Gender-Mainstreaming, Gleichstellung von Minderheiten, Sexualität) eingrenzen
sich gegenüber fremden Religionen abgrenzen
sich für ein Europa der Vaterländer einsetzen
die Schweiz als Vorbild (Währung, direkte Demokratie, Miliz-Militär, Neutralität)
mehr direkte ,Volks-Demokratie‘
Souveränität gegenüber Israel herstellen
Misstrauen gegenüber oder gar Ablehnung von politischen und medialen Eliten
Einschränkungen der Meinungsfreiheit
Polarisierung zwischen Volk und Eliten
Das in dem Papier der Otto-Brenner-Stiftung herausgearbeitete Verwischen von sehr linken und sehr rechten Gedankenwelten ist freilich kein neues Phänomen, das weiß Storz selbst auch. Schon im Vorfeld der Machtergreifung der Nationalsozialisten spielte in der Weimarer Republik ein Schulterschluss zwischen extrem rechtskonservativen und extrem linken Kräften eine nicht unwesentliche Rolle. Es ist aber gerade darum nicht falsch, auf ähnliche gesellschaftliche Muster in der Jetzt-Zeit hinzuweisen.
Was die in dem Otto-Brenner-Papier organisierten Personen und Organisationen eint, ist ein destruktiver Geist, der sich gegen liberales Gedankengut, eine freie Gesellschaft und die repräsentative Demokratie richtet. Das Weltbild, das hier vermittelt wird, ist in sich geschlossen. D.h. Kritik daran wird von den Akteuren und Anhängern nur als weiterer Beleg für dessen Richtigkeit interpretiert. Das macht es fast unmöglich, “Querfront Aktivisten” mit Argumenten zu erreichen.
Die Netzwerk-Effekte und Publishing-Tools des Internets (vor allem Facebook und YouTube) sorgen zudem dafür, dass sich eine solche “Gegenöffentlichkeit” problemlos wie nie bilden und ausbreiten kann. Beleg dafür sind u.a. der Bestseller-Status von Udo Ulfkottes Hetz-Büchern und beeindruckende Klickzahlen etwa beim YouTube-Kanal von Ken Jebsen.
Wolfgang Storz hat hier ein unheimliches gesellschaftliches Phänomen treffend beschrieben. Eine Lösung, wie damit umzugehen ist, hat leider auch er nicht parat:
Es zeigt sich jedoch erneut – beispielsweise anhand der anhaltenden Abgrenzungs-, Aufklärungs-, Unterstellungs- und Verdachts-Debatten um das Bündnis von ‚alter Friedensbewegung‘ und „Montagsmahnwachen“ –, dass eine Methode noch nicht gefunden ist, mit diesen Unterschieden angemessen und politisch klärend umzugehen.
Eine solche Methode zu finden, ist eine wichtige Aufgabe für Politik, Medien und Gesellschaft. Da hängt eine Menge dran. Zum Beispiel auch, wie wir mit Hass-Kommentaren im Social Web umgehen, wie wir über die Flüchtlings-Problematik diskutieren, wie wir uns politische Kommunikation heute vorstellen, wie wir den ganzen öffentlichen Diskurs organisieren.
Das Papier “‘Querfront’ – Karriere eines politisch-publizistischen Netzwerks” ist nachdrücklich zur Lektüre empfohlen. Hier kann man es runterladen.