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Karin Hoerler · Orangen-Papiere

 

Karin Hoerler, Jahrgang 1952, lebt und arbeitet als Künstlerin in Frankfurt am Main.
Ein Schwerpunkt ihres Werks liegt im Bereich der Collage. Sie begreift ihre Arbeiten als Untersuchungen einer optischen Gebrauchskultur. So schreíbt die FAZ 1992: "Nicht das schroffe Nebeneinander ursprünglich nicht zusammengehörender, aus ihren angestammten Kontexten herausgelöster Bilder und Bildfragmente streben ihre Arbeiten an. Ihr Charakteristikum ist die in erschreckender Sachlichkeit vorgeführte Synthese einer schönen neuen Welt aus dem trivialen Geist von Verpackungen. Nicht das Diskontinuierliche wird in eine Einheit gezwungen, sondern die Welt der werbeästhetischen Trivialitäten mit Witz entlarvt."
Hier zeigen wir einen Ausschnitt aus den "Orangen-Papieren".
Mon Cheri -- Collage auf Papier, mehr-lagig, 49-teilig, 192 - 174 cm (je 24 x 21 cm), 1994-99.

Mon Cheri
oder das Bild des anderen

"In einer zukünftigen Zeit, die sicherlich nicht Jahrhunderte auf sich warten lassen wird, werden die zivilisierten Völker alle wilden Völker auf der ganzen Welt ausgelöscht und ersetzt haben." Diese Worte Darwins sind heute schon so gut wie zu einer Realität geworden.

Und wir bannen unsere Abbilder dieser 'Wilden' auf Orangenpapiere und drücken so unsere immer noch vorhandene Aggressivität gegen die schwarzen Fremden aus. Wir lassen sie dumm und primitiv erscheinen oder harmlos, exotisch -- romantisch verklärt als die, die im Kindheitsparadies der Unschuld leben. So sind sie entweder Objekte des Hasses oder der Verklärung, wie die weißen Frauen und Mädchen, die zwischen ihnen auf den Papieren erscheinen. Immer Objekte -- kein Subjekt wie der weiße Mann, der nie ein Vorbild abgibt für eine Darstellung auf einem Orangenpapier.

Beide Haltungen bestimmten unsere Politik und Geistesgeschichte im vorletztem und letztem Jahrhundert. Unterdrückung und Mord der Afrikaner hat unsere Ge­schichte geprägt, was gleichzusetzen ist mit der Auslöschung unserer eigenen Herkunft, die, wie die Forschung zeigt, menschengeschichtlich in Afrika liegt.

Diese Auslöschung ist die äußere Handlung, ein Spiegel des Verhältnisses zu unserem eigenen Inneren, unseren Instinkten, die wir in den Schatten verbannt haben. Die andere Haltung, die der Romantisierung, unterstellt diesen Völkern paradiesische Unschuld und leugnet so ihr tatsächliches Sein und damit letztendlich ihr uns Gleichsein. Wir teilen die Welt ein in Gut und Böse, in Verstand und Instinkt, in Geist und Körper und fühlen uns gezwungen, eine Wahl zu treffen, statt beides miteinander gelten zu lassen -- unsere durch das Christentum bestimmte Haltung ist eine der Dualität. Wir verdrängen all das, was nicht zu uns gehören soll und projizieren es auf die Fremden und die Schwarzen. Es hat mit uns nichts zu tun, es ist wild und exotisch und auf jeden Fall anders als wir. Wir machen es klein, niedlich bunt und hübsch, um ihm jede Bedrohlichkeit zu nehmen. Und doch scheinen Menschen und Qualitäten durch, die mehr sind als Opfer von Aggression oder Verharmlosung, so als würde sich in ihnen und ihrer Aura etwas mitteilen wollen, das uns fehlt

Karin Hoerler, 2000

 

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