Die folgenden Gedanken, so viel sei als Disclaimer gesagt, resultieren aus der Diskussion auf dem Portal clack.ch (»interaktiver Versammlungsort für stilsichere Frauen«), insbesondere mit dem »Quotenmann« Réda el Arbi (»zürcher aus religiösen gründen / keine politik mehr«) über Ironie, Humor und Klischees in Bezug auf Geschlechterrollen und Sexismus. Triggerwarnung: sexuelle Gewalt.
Was Sexismus ist, ist allen klar. Warum er problematisch ist, auch. Falls nicht: Ein bisschen nachdenken.
Erstaunlich ist, dass Sexismus richtiggehend modisch geworden ist. Man kann sich heute damit profilieren, sexistisch zu sein, und erhält dafür Anerkennung. Natürlich handelt es sich nicht um den Sexismus 1.0, bei dem Männer Frauen direkt gesagt haben, was sie dürfen und was nicht. Der Lifestyle-Sexismus ist subtiler. Hier ein paar typische Bestandteile:
- »Man muss heute gar nicht mehr gegen Sexismus einstehen, weil ja allen klar ist, wie doof Sexismus ist.«
- »Frauen WOLLEN einfach keine Karriere machen und mögen es, sich sexy zu präsentieren – lasst doch einfach alle Menschen das tun, was ihnen Freude macht!«
- Ein paar diffuse Gedanken zur Evolutionstheorie und Biologie, zur Steinzeit, Brüsten und Vergewaltigung. Fazit: Sexismus ist naturgegeben, Widerstand zwecklos.
- »Das ist alles einfach ironisch.« / »Hättest du genug Humor, würdest du das auch verstehen.« / »Hier werden Klischees nicht gefestigt, sondern subversiv benutzt.«
- »Es braucht doch eine gewisse Spannung zwischen den Geschlechtern, dieses Knistern schafft doch erst richtige Erotik.«
- »Die Diskussion um Sexismus ist so 1960 / 1970 / 1980 / 1990. Da kommen keine neuen Argumente mehr.«
- »Die jungen Menschen leiden gar nicht mehr unter Sexismus, habe ich gehört.«
- »Eigentlich ist Sexismus doch Pornographie. Und Pornographie ist doch gut!«
- »Wärst du nicht so unlocker / prüde / verklemmt / ewiggestern / stur / dumm / uneinsichtig / rechthaberisch / selbstgerecht / unsicher / ernst / unweiblich / unmännlich / unmodisch / benachteiligt, dann hättest du mit all dem doch kein Problem!«
- »Mädchen können doch heute auch mit Lego spielen und Knaben mit Barbies. Alles GAR KEIN PROBLEM!«
- »Die meisten Frauen mögen es doch insgeheim, wenn man ihnen an den Arsch fasst.«
- »Es gibt doch viel dringendere Probleme als das. Afghanistan, Saudi-Arabien, Pakistan.«
- »Eigentlich sind es ja die Männer, die benachteiligt sind.«
- »Früher hab ich deine Meinung auch mal vertreten, aber nun bin ich schlauer.«
- »Es gibt eine Studie, bei der ein paar Halbwissenschaftler 1953 herausgefunden haben, dass…«
- »Diese Argumente gibt es doch schon lange, gebracht hat das doch alles nichts.«
- »Heute sind Menschen einfach nicht mehr so prüde, das ist dir offenbar nicht bewusst.«
- »Ich schau mir jetzt lieber eine sexistische Sendung im Fernsehen an, anstatt darüber nachzudenken.«
- »Warum musst du als Mann über Sexismus nachdenken? Können das die Frauen nicht selber?« / »Logisch, dass du als Frau über Sexismus nachdenkst, so verschafft ihr euch ja eure Vorteile!«
Damit man mich richtig versteht: Ich will Sexismus nicht verbieten, Rassismus auch nicht. Ich diskutiere auch gerne darüber, wenn diskutieren heißt, dass man echte Argumente austauscht, offen ist und seine Position begründen kann. Der Rahmen für eine Diskussion ist nicht das eigene Empfinden. Dass Menschen viele klar sexistische Haltungen, Handlungen und Darstellungen nicht als störend empfinden, ist gerade das Problem. Nur wenn ein Bewusstsein entsteht, was Sexismus bedeutet und wie er Betroffene trifft, verschwindet er. Die Einstellungen von Menschen und Gesellschaften zu Geschlechterrollen wandeln sich. Sie sind nicht einfach gegeben, sondern das Resultat verschiedener Prozesse. Die kann man ändern.
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Offenbar spricht man in den USA bei diesem Phänomen von Hipster Sexism:
»For the media savvy [generation], irony means that you can look as if you are not seduced by the mass media, while being seduced by [it] … [and] wearing a knowing smirk«