Düsseldorfer Originale vor rund 150 Jahren
Ein seltenes Büchlein dürfte Hans Seyppels „Düsseldorfer Originale von anno dazumal. Herausgegeben mit Hilfe der PROVINZIAL Feuerversicherungsanstalt der Rheinprovinz/Lebensversicherungsanstalt der Rheinprovinz“, erschienen 1977, gewesen und geblieben sein. Der braunbierhaltig-selbstverliebte Atem erwähnter Rheinprovinz beschlägt sämtliche Doppelseiten, auf denen der Autor zahlreiche zweifelhafte Altstadtheroen zu Zeiten seines Großvaters, des Malers Carl Maria Seyppel (welcher seinerseits/-zeit die Delinquenten in den Eingeweiden der Rätemateng mittels diverser Techniken porträtiert hatte), unter reichlich Jeschwaade wiederbelebt, als da wären:
- Professor Läwerwoosch „der vielleicht Gebildetste, bestimmt der Schmuddeligste unter den Originalen“, der aufgrund fehlender Zähne neben Altbier hauptsächlich noch Leberwurstbrote zu vertilgen imstande war
- Der Muggel, ein unverbesserlicher Wilderer, deswegen mindestens 80mal im Knast
- Der Mehlbüdel, ein verwachsener alter weltweiser Schnapsbruder: „Schlau zog er die Jacken, die Westen und die Hosen zwei- und dreifach übereinander.“
- Dä schääle Ludewig, ein ewiger Schwätzer und Provokateur, der jede längere verbale Ausführung beendete mit: „Gesehen und genehmigt. Moritz Cohn“ – seinem bürgerlichen Namen
- Der Sänger vom Rhein, Peter Steprath, schmetterte mit strahlendem Tenor Schimpftiraden gegen die französischen Besatzer: „Wat hant die Bajuffe am Rhiiiiing zu dunn?“
- Dä ewije Fröhling, ein gealtertes enttäuschtes Mädchen namens Franziska, die in der Altstadt unter unablässig-jugendlichem Gebaren die Abende mit wechselnden Herrengesellschaften fortsoff: „Ihr Näschen wurde rot und roter und ihre Spritzigkeit wurde mit den Fältchen etwas mühsam.“
- Dä Pulverkopp, eigentlich: Herr Prampus, ein Altstadtpolizist wie aus einem „Väter der Klamotte“-Filmchen: „Nicht sehr groß, dafür aber breit und korpulent. So schritt er würdevoll durch die Düsseldorfer Straßen. Eng und hoch klemmte der rote Kragen seinen fetten Hals ein und sperrte ihm die Luft ab, so daß sein dickbackiges Gesicht rot wie eine reife Tomate unter dem blitzenden Helm glühte.“ (Perfekte Zielscheibe für den Spott streunender Kinder.)
- Der von Haus zu Haus, ein gefallenes Mitglied der „besseren Gesellschaft“. Um nach einem Zuchthausaufenthalt nicht der Armenverwaltung zu Last zu fallen, „beschloß der zwar Entwurzelte, aber keineswegs auf den Kopf Gefallene in die Rolle des Originals zu schlüpfen (…) Er kaufte schwere, haltbare Arbeitsschuhe, eine strapazierfähige Hose, mindestens zwei Hemden (…) Er trug eine Künstlerjacke aus geripptem Sammet. Darunter eine gestrickte Weste. (…) Die brillenbewehrten, kurzsichtigen Gelehrtenaugen lugten unter einem grobgeflochtenen Strohhut in Homburgform hervor. (…) Originell trug er sein Haar. Er ließ es, vielleicht nur aus Geldmangel, für damalige Zeiten völlig indiskutabel, schulterlang wachsen.“ Weil die Anschaffungen sein Budget erschöpft hatten, suchte sich Der von Haus zu Haus seine Straßenhändlerware in Abfallhaufen, Mülleimern, Gossen: „Er fand immer was.“
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