Vincent at the Rhinefalls – what of shoes?
Ein klassisches Motiv der malerischen Moderne als ihr eigenes Abbild vor einem klassischen Motiv der Romantik. Was sehen wir hier? Mit dem Bildinhalt gibt Robert Burt (nicht zu verwechseln mit Robert Burton, dem Verfasser von The Anatomy of Melancholy) einen starken Hinweis auf Jacques Derridas La vérité en peinture. Denn Derridas Frage, ob es sich bei Van Goghs Stiefelpaar um zwei linke Exemplare handeln könne, verdoppelt Burt mithilfe des Bild-im-Bild-Motivs, mithin eine ironische Multiplikation des Rätselhaften, welche vom Zauber des Rheinfallschauspiels noch weiter potenziert wird. Mit seiner Wahl der fast unkenntlichen linksrheinischen Perspektive gibt Burt zudem eine gleichermaßen versteckte wie humoristisch-subtile Antwort: bekanntlich spült der Rhein auf seiner linken Uferseite fast ausschließlich linke Schuhe an. Ein Bildwerk wie ein gutes Gedicht, das, je länger der Betrachter sich damit beschäftigt, immer klarer und gleichzeitig immer unschärfer zu werden scheint.
rheinsein dankt Robert Burt für seine Erlaubnis zur Veröffentlichung!
Stichworte: Jacques Derrida • Rhein • Rheinfall • Robert Burt • Robert Burton • Vincent van Gogh
1. Dezember 2012 um 21:57
Aus der dunklen Öffnung des ausgetretenen Inwendigen des Stiefelzeuges starrt die Mühsal der Wanderschritte. In der der derbgediegenen Schwere des Stiefelzeuges ist aufgestaut die Zähigkeit des langsamen Ganges durch die weithin gestreckten und immer gleichen erdverklebten Pfade, über denen rauhe Winde wogen. Auf dem Leder liegt das Feuchte und Satte des Bodens. Unter den Sohlen schiebt sich hin die Einsamkeit des Feldweges durch den sinkenden Abend. In dem Stiefelzeug schwingt der verschwiegene Zuruf der Erde, ihr stilles Verschenken der reifenden Hagebutte und ihr unerklärtes Sichversagen in der öden Brache des winterlichen Feldes. Durch dieses Zeug zieht das klaglose Bangen um die Sicherheit des Brotes, die wortlose Freude des Wiederüberstehens der Not, das Beben in der Ankunft der Geburt und das Zittern in der Umdrohung des Todes. Zur Erde gehört dieses Zeug und in der Welt der Herberge ist es für die Nacht in steter Gefahr von Diebesgesindel an sich genommen zu werden.