Angeln am störgestreiften Rhein
Still aus der frühen Tatortfolge Wenn Steine sprechen. Kommissar Horst Pflüger (gespielt von Ernst Jacobi), ein intellektueller Feuerkopf mit Ansätzen zu Brillanz und dem Spleen, mitten aus dem besten Gehen/Laufen heraus in britisch-eleganter Jagdhund-Vorstehhaltung zu verharren, ermittelt zunächst ins Luftleere und bald gegen untersetzte Stützen der Baden-Badener Gesellschaft. Deren Töchtern einer, die reichlich seltsame Reitstile pflegt, Pflüger gegen offenbare Etikette-Widerstände einen Lyrikband (!) schenkt, aus dem (Maurice de Guérin (!!!)) er bei passender Gelegenheit nicht nur auswendig zu rezitieren, sondern den er auch gegen Pathosvorwürfe zu verteidigen versteht. Was die Tochter zu gemäßigtem Nachdenken bewegt und auf Pflügers Romanistikstudium in München zurückweisen dürfte. Für authentische Dialektinseln (mittelbadisch) im weitgehend hochdeutsch parlierenden Millionärsstädtchen sorgen die niederen Kasten (u.a. ein polizeibekannter Automatenknacker (”ich hab nur e Mark in de Zigaretteautomat neigschteckt”) und oben (wenngleich eher schemenhaft) zu erblickender Angler, welcher Opfer und Polizei wichtige Hinweise steckt), authentische Baden-Badener Klischeebilder (Casino, Galopprennbahn Iffezheim) wiederum wirken, als wären mit ihnen kleinere Zeitlöcher im Drehbuch zu stopfen gewesen. Der Rhein fließt schön gleichmäßig durch sein von Tullas fleißigen Arbeitern gerichtetes Bett. Wir sehen seltene Filmaufnahmen der heuer ein wenig in Vergessenheit geratenden Kunst des in seiner wirkungsvollen Beiläufigkeit so extremen altdeutschen Kaffeekredenzchens. Die Störgestreiftheit des Rheins erinnert uns an gerhardrichtersche und heisenbergsche Unschärfen: wo Vermutungen und Wissen sich überlagern, entsteht Drive.
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