Von der Deutung der Träume
Die Auslegung der Träume ist eine große Kunst; sie sind nie ohne Bedeutung,
woher sie auch stammen mögen: aus der Fantasie, aus den Elementen oder aus einer
anderen Eingebung. Es mag ihnen oft etwas Übernatürliches zu entnehmen sein.
Denn der Geist feiert sie. Gibt einem die Erde eine Eingebung - eine ihrer Gaben
- und verleiht sie uns diese durch ihren Geist, dann hat die Vision einen Sinn.
Einer, der seinen Traum ernst nehmen, auslegen und sich danach richten will,
der muss mit dem "siderischen Wissen" um das "Licht der Natur" begabt sein und
darf sich nicht mit sinnlosen Fantasien abgeben, nicht hochmütig mit den Träumen
umgehen; denn in solcher Art ist mit ihnen nichts zu erreichen. Die Träume muss
man beachten und akzeptieren. Denn gar viele werden zur Wahrheit.
Zumeist erscheinen die Vorahnungen den Menschen in so unscheinbarer Form, dass
sie verachtet werden. Und doch kam Joseph
im Schlafe darauf, wer Maria war und von wem sie schwanger war. Und weil
die Träume nicht genügen beachtet werden, so wird auch ihren Offenbarungen kein
Glaube geschenkt, obwohl sie nichts Anderes sind als prophetische Aussagen ...
Darum soll der Weise sie nicht geringschätzen, sondern daran denken, dass auch
Christus in unscheinbarer Gestalt erschien und verspottet wurde. Der Weise jedoch,
der ermessen kann, dass Unscheinbares nicht verspottet werden darf, sondern
mit Weisheit beurteilt werden muss, dem ist auch der Verstand gegeben, Christus
zu erkennen. Den Spöttern wird kein Verstand gegeben, die Weisheit jedoch besitzt
das Wissen, das Gott verleiht.
Die Träume, die Übernatürliches künden, sind Verheißungen und Botschaften, die
unmittelbar von Gott zu uns gesandt sind; sie sind nichts Anderes als Seine
Engel, Seine dienstbaren Geister, die uns zumeist in großen Nöten erscheinen
und in solcher Gestalt, wie sie seinerzeit den drei Magiern, als sie auf der
Suche nach dem neugeborenen Kindlein waren ... Wir müssen von diesen Erscheinungen
wissen, wie sie geschehen und zu uns gelangen, und dass wir sie in großen Nöten
von der Barmherzigkeit Gottes erbitten können, wenn unser Gebet im rechten Glauben
aus wahrhaftigem Mund und Herzen kommt. Dann schickt Er uns einen solchen Boten,
der uns im Geiste erscheint, uns warnt, tröstet, lehrt und Verheißung bringt.
Seit jeher sind den Künstlern im Schlaf und im Traume Lehren über die Künste
zugekommen und geoffenbart worden, sodass sie allezeit vor Begierde danach entbrannten.
Da konnte ihre Imagination Wunder über Wunder wirken und den Schattengeist der
Philosophen an sich ziehen, der sie dann in seiner Kunst unterwies. Auch heute
noch geschieht das immer wieder, nur wird der größte Teil davon vergessen. Wie
oft kommt es doch vor, dass einer morgens, wenn er aufsteht, sagt: "Ich habe
heute Nacht einen wundersamen Traum gehabt", und dass er erzählt, wie ihm Merkur
oder dieser oder jener Philosoph leibhaftig erschienen sei und ihm bald diese
bald jene Kunst gelehrt habe, dass ihm aber der Traum dann wieder entfallen
sei und er sich nicht mehr daran erinnern könne. - Wem es aber so ergeht, der
sollte nach dem Aufstehen seine Kammer nicht verlassen, mit niemandem reden,
solange einsam und nüchtern bleiben, bis ihm alles wieder einfällt und er sich
seines Traumes entsinnt.
(Aus "Paracelsus. Lebendiges Erbe.
Eine Auslese aus seinen
sämtlichen Schriften mit 150 zeitgenössischen
Illustrationen")
Gott, Welt, Mensch - dieser Dreiklang
durchtönt die ganze, gewaltige paracelsische Schau. Der Mensch als Ebenbild
Gottes ist ihr Mittelpunkt; um ihn schlingen sich in unversiegbarem Melodienreichtum
die Wunderwerke der Schöpfung. Der Mensch in seiner Stellung zum Ewigen und
Zeitlichen, seine Würde und sein Weg, seine Gaben und seine Pflichten, seine
Not und seine Seligkeit sind ihre Hauptmotive. In tiefem Ringen um die wahre
Erkenntnis des Menschen und dessen Einbezogensein in die hierarchischen Ordnungen
erscheint Paracelsus am Schnittpunkt zweier Welten. Mittelalterlich-gläubiger
Christ, unerschrockener moderner Forschergeist und hilfreicher Arzt zugleich,
überspannt er in einem kühnen Geistesbogen alle Gegensätze zu einer schöpferischen
Ganzheit.
Der Streiter und Aufrührer blieben in dieser Textauswahl unberücksichtigt; ebenso
auch der Wahrsager und Magier.
Von allem Zeitbedingten befreit, ist sie nur auf das Allgemeingültige des rätselerfüllten
Werkes ausgerichtet.
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