... aus "Die Buhlschwester" ...
Erster
Akt
Sechste Szene
Julchen. Fischer.
...
JULCHEN: Nun - Sie werden mich doch auch anhören,
Herr Vormund! der Sie so vielen Anteil an meiner Aufführung nehmen - es ist
wahr, ich muß es Ihnen gestehen, die Nachricht, die man von mir ausgesprengt
hat, ist nicht ohne Grund, ich hab in Ihrer Abwesenheit einen jungen Sohn bekommen.
FISCHER: Gütiger Himmel -
JULCHEN: Ha ha ha, ich muß Ihnen den Knoten nur auflösen. Sie erinnern sich
doch noch an den Rittmeister Schlachtwitz, der vor einem Jahr fast täglich in
unser Haus kam?
FISCHER: Nun -
JULCHEN: Das Original - er versicherte mir mit hundert Schock Millionen Flüchen,
er wollte mich einmal zu seiner Erbin machen: Sie wissen, daß er, seitdem seine
alte Schwester Platz gemacht hat, ganz ohne Erben ist. Ich lachte damals nur
darüber, aber als ich es reiflicher überlegte, so schien mir sowohl als meiner
Mutter das Ding so lächerlich nicht. Ich entschloß mich kurz, einen Sommerabend
lud ich ihn auf Austern zu uns, nachher trunken wir englisch Öl zusammen, er
ward voll, eh ich mir´s versah, und schlief fest auf unserm Kanapee ein: das
war´s, was wir verlangten, ich blieb bei ihm sitzen, meine Mutter machte gegen
den Morgen einen erschröcklichen Lärmen, sie hätte uns beide in
einer Stellung betroffen, die sich nur für Ehleute schickte, sie
wollte, Herr von Schlachtwitz sollte augenblicklich, um den Schimpf wieder gut
zu machen, den er unserm Hause angetan, in Gegenwart unsers Beichtvaters und
des Notärs sich mit mir verloben: er zitterte und bebte, als meine Mutter fortging,
den Prediger zu holen und unsre Lene zum Notär schickte; o Fischerchen! wenn
ich Ihnen seine Figur abzeichnen könnte - Sie lachten sich tot - als er alle
Augenblicke bald mir in die Augen bald in die Luft zum Fenster hinaussah, den
Kopf noch ganz verzettelt vom gestrigen Rausch und mit einer Miene, die beständig
zu fragen schien: träum ich noch, oder ist das wirklich so?
...
FISCHER: Aber Sie werden doch Ihren neuen Gemahl nicht in Ihrem Hause logieren?
JULCHEN: Ja das wäre mir! In unserm Hause logieren - sehn Sie denn nicht , Herr,
daß ich eine arme Kindbetterin bin, die noch lange nicht aus aller Gefahr ist
und Ruhe und Stille braucht - da sollten wir einen Dragonerrittmeister mit Pferd
und Bedienten in unserm Hause logieren, das wäre mir - aber was meinen Sie zu
der Kollation, Fischerchen, ich dächte, wenn ich einige eingemachte Sachen und
wo eine kalte Pastete - der Wein, der Wein muß das beste tun, ich habe gehört,
Döbschütz soll ganz unvergleichlichen Champagner
bekommen haben.
FISCHER: Lassen Sie mich dafür sorgen.
JULCHEN: Ich wollte Sie gern bitten, Fischerchen! mit Teil daran zu nehmen,
aber Sie sehen selbst ein, daß das bei meinem Rittmeister übles Geblüt setzen
könnte, aber morgen früh sein
Sie so gütig und trinken die Schokolade mit mir, da will ich Ihnen
erzählen, wie alles gegangen ist, o da werden wir uns recht satt lachen, ich
bin´s versichert - aber hören Sie doch, Pahlmann soll noch bessere feine Weine
haben, der Rat Schulz hat neulich bei uns gespeist, er versicherte, daß er in
seinem Leben noch nirgends so guten Tokayer
getrunken.
FISCHER: Lassen Sie mich nur dafür sorgen, es soll alles so sein, als ob Sie´s
selber angeordnet hätten: ich gehe und werd Ihnen in einer halben Stunde meinen
Bedienten zuschicken -
JULCHEN: Ich kenn Ihren guten Geschmack: also auf morgen früh, mon petit Fischer.
(...)
(Jakob
Michael Reinhold Lenz; 23.1.1751 - 24.5.1792)