(...)
Er stand auf und imitierte in aller Ausführlichkeit den Tanz des Knaben
und des Mädchens. Und wenn man vorher gerühmt hatte, wie der Knabe
durch seine Bewegungen noch schöner erscheine, so brachte er es fertig,
dass jeder Teil seines Körpers, den er bewegte, noch lächerlicher
wirkte, als er ohnehin schon war. Hatte das Mädchen aber, indem es sich
zurückbog, Räder nachgeahmt, so versuchte auch er, indem er sich vorbeugte,
solche Räder zu imitieren. Und hatte man schließlich an dem Knaben
gelobt, dass er beim Tanz den ganzen Körper trainiere, so hieß er
die Flötenspielerin, das Tempo anzuziehen, und warf alles, Beine, Arme
und Kopf zugleich umher.
Als er sich verausgabt hatte, legte er sich nieder und meinte dazu: "Ein
Zeichen, dass auch meine Tänze eine gute Übung sind, meine Herren.
Jedenfalls habe ich jetzt Durst,
und der Junge soll mir die große Trinkschale füllen."
"Beim Zeus",
rief Kallias, "uns auch! Denn auch wir haben Durst, weil wir so über
dich lachen mussten."
Sokrates seinerseits meinte: "Gegen das Trinken habe auch ich nichts einzuwenden,
meine Herren. Denn wahrhaftig bringt der Wein, wenn er die Seelen tränkt,
die Sorgen zur Ruhe wie der
Alraun die Menschen und weckt die Lebensfreude wie das Öl die
Flamme. Allerdings glaube ich, dass es den Menschen dabei nicht anders geht
als den Pflanzen. Gibt denen der Gott zu viel auf einmal zu trinken, können
auch sie sich nicht mehr aufrecht halten und die Lüfte durchstreichen lassen.
Trinken sie aber nur so viel, wie sie mögen, wachsen sie schön gerade
und kommen in voller Pracht zur Reife. Und so geht es auch uns: Schenken wir
uns zu viel auf einmal ein, vergeht uns bald Hören und Sehen, wir können
kaum noch schnaufen, ja, wir bringen kein Wort mehr heraus. Wenn uns aber die
Knaben - um es einmal mit Gorgias zu sagen - immer wieder aus kleinen Schälchen
beträufeln, so werden wir vom Wein nicht sinnlos überwältigt,
sondern sanft überredet und gelangen zu
Scherz und geistreicher Rede."
Die Worte fanden allgemein Beifall, und Filippos fügte hinzu, die Weinschenken
sollten sich die guten Wagenlenker zum Vorbild nehmen und die Becher schneller
im Kreis herumgehen lassen. Und so taten es die Schenken.
(...)
(aus dem "Symposion" von
Xenofon; 431-355 v. Chr.)
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