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Wir alle warten doch auf den großen starken Mann, der es schafft, aus dem ganzen trostlosen Müll noch etwas echtes zu machen.
- Die Gräfin -
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“Sag mal, bist du nicht der Mann..”
“Nee”, sag ich. “Um Gottes Willen.”
“.. bist du nicht der Mann, der die Tränen seiner Frau trinkt?” fragt sie beim Kaffee und hat gleich den ersten Job des Tages für mich: eine Träne, auf dem Weg die Backen runter. Frühstück.
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Während ich ein erklärter Freund von Popsongs bin, die nach drei Minuten langsam goodbye sagen und immer leiser werden bis sie schliesslich ganz verschwinden, mag die Gräfin es nicht, wenn Musik sich ausblendet.
“Das hat ja gar kein Ende.”
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Die Frauen und die Tiefsee sind noch nicht erforscht. Wer etwas anderes sagt, lügt.
- Die Gräfin -
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Es gibt Dinge auf Erden, die sollten einem klar sein. Etwa die Tatsache, dass auch das leckerste, teuerste und exklusivste Luxus-Menu der Welt nichts anderes ist als der Vorläufer eines dicken Kackhaufens.
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Die Heizperiode geht los, in den Heizkörpern grollt und platzt die Luft wie im Straflager.
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Ich: “He! Es ist schon viertel vor zehn!”
Sie: “Bei dir vielleicht.”
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Es gibt Dinge auf Erden, die sollten einem klar sein:
Wer sich selbst nicht sonderlich mag, nimmt Andere zu wichtig.
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Ihr Männer seid wie Hunde. Die tun auch nur etwas, wenn dafür eine Belohnung herausspringt.
- Die Gräfin -
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Eine Packung Deutsche Markenbutter hat die warmen behaglichen Hände einer Mutter.
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In der Normandie war mein Vater 1944 als Melder unterwegs. Jeder Zug hatte zwei Melder. So war es reiner Zufall, dass es den anderen, den zweiten Melder, den Kollegen meines 18jährigen Vaters traf, der eine Nachricht übermitteln musste. Sie ging an den Offizier, der mit seiner Einheit am gegenüberliegenden Flußufer stationiert war.
Dazu musste der zweite Melder eine strategisch wichtige Brücke überqueren, die unter amerikanischen Panzerbeschuss lag. Er wartete bis zum Abend, alles war friedlich. Doch genau in dem Moment, als der Melder die Hälfte der Brücke geschafft hatte, wurde sie bombardiert.
“Vom Ufer aus konnten wir sehen, wie die Gedärme des armen Tropfs über dem Geländer hingen, bis runter in den Fluss. Wie Käse sah er aus, der dicke Fäden zieht.”
“Ach du Scheiße”, sag ich, “das hättest ja auch genau so gut du sein können.”
“Ja. Ich hab einfach Massel gehabt. Sonst säßen wir beide jetzt nicht hier. Ich nicht, weil es mich statt ihn erwischt hätte, du nicht, weil es dich nie gegeben hätte.”
Und das nur, weil an diesem Tag im Frühling 1944 der zweite Melder an der Reihe war, eine Nachricht zu überbringen. Der pure Zufall, eine bloße Laune des Schicksals hat dafür gesorgt, dass mein Vater überlebte, dass er später meine Mutter heiratete, dass sie meine Geschwister und mich gebar.
Und was ist mit dem unglücklichen zweiten Melder, was ist mit seinen Kindern, die nie geboren wurden? Es hätte ganz andere Geschichten gegeben, hätte mein Vater Dienst gehabt an diesem Tag im Krieg.
Geschichten sind alles, was wir haben. Mit dem Erzählen von Geschichten versichern wir uns gegenseitig unsere zufällige Existenz.
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Schlagwörter: Ausblenden von Musik, Dicker Kackhaufen, Existenz ist reiner Zufall, Literatur, Normandie, Schreiben, Vater
17. September 2012 um 5:30 nachmittags |
der tiefsinn der frauen bleibt unerreicht und fortuna ist auf dem vormarsch. ansonsten glaube ich eher, dass wir mit den geschichten, die wir uns erzählen, unsere kontingenz zu bewältigen versuchen und dabei immer wieder scheitern oder unbefriedigt bleiben. daher reißen sie auch nicht ab. zum glück. gruß, uwe
18. September 2012 um 8:54 nachmittags |
ich bin grad sprachlos. die gräfin und du – eure philosophien sind einfach so was von …
einfach danke!