Frankensteinnotiz

Es gibt nicht nichts zu berichten. Da ist stets etwas. Eine Kleinigkeit, die sich in einer Ecke versteckt. Die man anheben kann, um sie zu präsentieren. Und wenn sie keinen Namen hat (weil sie ihn uns nicht verrät oder weil sie ihn für sich behalten will, vielleicht auch einfach, weil sie stumm ist), dann verleiht man ihr einen. Man steckt ihr den Namen wie einen Orden an. Sagt: Das ist LEERE TÜTE.

Traurig wirkt sie. Verlassen von den Dingen, die in ihr sein könnten. Unerfüllt. Wie ein ausgenommenes Tier. Ausgeweidet. All die Organe, die sie am Leben hielten, befinden sich im Kühlschrank. Sie könnte auch glücklich sein. Erfüllt von der Luft des Zimmers. Den Geräuschen, die sie aufschnappt.

Alles hat einen Sinn, den man nur entdecken muss. Man kann  ihn fassen. Ihn vor seine Augen halten, weil die Augen den Gegenstand in unseren Kopf schleifen. Jedes Ding ist eine Leiche, die wir in den Kofferraum unserer Fantasie zerren können. Wir fahren los und überlegen, was wir mit der Leiche tun könnten. Sie schänden? Sie zu neuem Leben erwecken? Elektrizität könnte eine Lösung sein. Ein Labor, darin wir sie auf einen Operationstisch schnallen. Wir könnten den Toten Leben einhauchen.

Schreiben ist übersetzen. Es ist ein Transportunternehmen. Mit gesenktem Haupt knattert der Schreiber durch die Nacht seines Lebens, Tote einsammelnd, um ihnen Leben zu schenken, auch wenn es nur ein vorgegaukeltes, ein falsches Leben ist. Die Leiche ist ein aus Buchstaben zusammengenähter Leib. Es kann ihr passieren, dass sie gejagt wird. Von Lesern. Von Kritikern. Mit Fackeln treibt die Meute das vermeintliche Monster vor sich her.

Es gibt nicht nichts zu schreiben, weil überall etwas kauert, das belebt werden kann.

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