Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Der Becher leert sich. Einen Schluck Zähneputzen, einen Schluck Arbeit, einen Schluck Kämmen, einen Schluck Schluckauf. Nicht mehr lange, dann füllen wir den Zeithumpen wieder mit zwölf Monaten auf. Wir versüßen das Getränk mit Urlaub. Übersehen den Todesfall, der sich früh schon am Boden absetzt. Der uns plötzlich am Gaumen kitzelt, wenn er sich durch den Rachen spült. Wir versuchen uns an den Geschmack des letzten Jahres zu erinnern. Entscheiden mit fachmännischem Kennerblick, ob uns ein guter oder ein schlechter Jahrgang kredenzt wurde. Die Trauben wuchsen an der Wäscheleine, in den Blutstriemen, die sich über einen Rücken zogen, in der Kloschüssel.
Wenn wir uns am Jahr betrunken haben, dann kann es gut sein, dass wir gefühlsduselig werden. Ganz beseelt vom Ich. Runterkommen lautet die Devise. Sich in sich wie in eine Hängematte legen. Das haben wir uns verdient. Einschlafen. Und wenn nicht das, dann wenigstens ein wenig dämmern. Das Jahr ausklingen lassen, dem letzten Ton lauschen, der sich Schritt für Schritt vom Haus entfernt, der in den Morgenstunden kaum auszumachen ist, so leise schleicht er. Die Töne sich selbst überlassen. Auch das muss man können. Will es einmal tun. Wenigstens am Rand des Jahres.
Ein Lächeln biegt sich von Backe zu Backe. Ein hängendes Drahtseil. Zu brüchigem Eis wird man, auf dem man nicht länger laufen kann. Deshalb lässt man los. Hofft, die Kraft zur Schwäche zu finden.
Stark sein kann jeder. Verbissen blicken. Den Muskelmann auf dem Jahrmarkt markieren.
Der Tiefe sich anvertrauen, erfordert Mut. Viel Schwäche ist nötig, um sich fallen zu lassen.