Diese Frau ist auf der Durchreise. Ihr Liebhaber, den sie seit nunmehr fünfundzwanzig Jahren heimlich in ihrem Gedächtnis trägt, wird sie am nächsten Morgen abholen. Wie zufällig. Alles in diesen Leben geschieht scheinbar unbewusst. Sie wird sich in sein Auto verirren. (Oh, wie komme ich denn in dieses Auto? Wer sind Sie denn? Sie fahren in meine Richtung? Welch ein Zufall!)
Alles im Leben der Frau ist in einer ordentlichen Unordnung. Ihr Leben ist ein Provisorium. Ein Vorübergehendes. Besucht der Liebhaber sie am Wochenende, steht die Trennung bereits im Raum, weil der Mann am Montag wieder in seinen Alltag zurück muss. Im Alltag ist er ein verheirateter Mann mit einer Tochter. Niemand weiß etwas von seinen Fluchten. Seine Wochenendurlaube vom Leben geben ihm die Kraft, die er benötigt, um die Realität zu meistern. So erklärt er es sich.
Die Frau liebt den Mann. Sie liebt seine Ankünfte. Sie sieht es mit einem Lächeln, wenn er aufbricht. Sie schlüpft in Sportkleidung und geht trainieren. Sie geht ins Kino. Am Fluss spazieren. Sie genießt ihr Leben ohne Verpflichtungen. Sie muss nicht am Bett des Mannes wachen, wenn er krank ist. Dafür hat er seine Frau. Sie ist die Geliebte. Sie ist ein Ankunftsort. Eine Haltestelle. Steht mitten in ihrer eigenen Lebenslandschaft und wartet auf den, der auf ihr und unter ihr wartet. Um zu kommen. Um zu gehen. Sie ist kein Ort, an dem sich ein Mann einrichtet. Der Mann, trifft er ein, wartet auf und unter der Frau. Sie warten auf ihre Orgasmen. Auf seine Abreise. Ist es Sonntagabend, linst sie unruhig auf die Uhr, weil sie in ihr Singledasein zurück will. Verantwortung ist ein Wochenenderlebnis. Etwas, das sie spielt. Besorgt blickt sie auf den Bauch des Mannes. Er müsse abnehmen. Sein Herz. Er müsse sich kümmern.
Ist er erst wieder fort, wartet sie auf eine SMS von ihm, während sie seinen Geruch aus den Zimmern treibt. Sie wedelt mit den Händen. Sind die Nachbarn aufmerksam geworden, ist die Zeit des Umzugs gekommen. Eine neue Wohnung. Eine neue Umgebung. Stets wirkt alles frisch in ihrem Umfeld. Ihr Leben setzt keinen Rost an. Es verdirbt nicht. Sie lebt ein Leben mit einem Verfallsdatum, das stets nach einigen Tagen erreicht ist. Die Frau will es so. Der Mann. Sie lieben sich, weil sie sich keine Zeit für einen Alltag geben.
Jetzt ist sie auf der Durchreise. Der Mann wird sie aufgabeln. Wie zufällig wird sein Auto sie von der Straße fischen. (Kann ich Sie mitnehmen?) Sie wird kurz darüber nachdenken. Dann wird sie einsteigen, um wieder einmal für ein Wochenende auszusteigen.