Der Wind heult. Er klingt nicht besonders bissig. Eher wie ein zahnloser Tiger. Nicht einmal wie ein Tiger, sondern wie ein ausgesetztes Hundebaby. Ein Welpe, das um unser Haus tappt und schnüffelt, ob es nicht einen Spalt findet, durch den es seinen kleinen Körper pressen kann.
Der Wind ist nahezu unsichtbar. Man kann ihn nicht sehen. Nur hin und wieder hören. Sein Wehklagen, das einem das Herz brechen soll. Aber bis zum Herz reicht seine Kraft nicht. Er keucht, schnappt nach Luft, nach einer Tüte, denn die – armer Wind – packt er gerade eben noch so. Er jagt sie die Straße rauf und runter, bis sie sich an einem Backstein aufhängt, den jemand vergessen haben muss. Einer, der eine Scheibe damit einwerfen wollte, oder einer, der sein Haus mit exakt einem Stein erweitern wollte. Sie hängt und gibt auf. Der Selbstmord einer Tüte am Morgen. Den Wind macht es auch nicht glücklicher. Er spielt noch ein wenig mit ihr. Dann lässt er sie hinter sich und tappt weiter. Er wird schon noch etwas oder jemanden zum Spielen finden.
Der Windwelpe muss hier ausgesetzt worden sein. Von einem, der Mitleid mit ihm hatte. Fuhr vielleicht eilig mit seinem Wagen um die Ecke, stoppte, warf es – gewickelt in eine Decke – auf die Straße, unsere Straße.
Ich denke nicht, dass sich jemand seiner annehmen wird. Es wird auf Dauer verhungern. Einen starken ausgewachsenen Wind kann hier auch niemand gebrauchen. Die durchtrainierten Blutwinde haben es am Ende immer auf Menschenfleisch abgesehen. Sind aus einem anderen Holz geschnitzt. Blutwinde können töten. Dieser nicht.
Jetzt ist gar nichts mehr zu hören. Es könnte sein, dass er sich aus dem Staub gemacht hat. Dass ihn die Klagelaute anderer Winde angelockt haben.
Und dann kann man ihn in der Ferne hören. Ein letztes Mal. Klingt, als würde er den Mond anheulen, oder eines der Hochhäuser oben auf dem Berg.