Eine Warnung
Es sind die Warnungen, die sich verkleiden und abhalten wollen. Sie schlüpfen in die verschiedensten Rollen, füllen alles aus. Hören Sie lieber nicht zu! Lauschen Sie ihnen nicht! Denken Sie nicht darüber nach! Die Warnungen beugen sich mit einem Lächeln zu unseren Köpfen hinunter und flüstern. Niemand, der sie aus der Ferne sieht, würde vermuten, dass sie tun, was sie tun. Meist sind die Warnungen noch mit etwas anderem beschäftigt. Mit unterrichten. Mit regieren. Mit dem Setzen von Steinen. Normal wirken sie, unscheinbar. Sie führen Leben, die wie Tropfen im Gesellschaftsmeer aufgehen, die darin verschwinden. Sie sind das Meer. Behaupten es von sich. Deshalb, weil sie die große Wassermasse zu vertreten meinen, warnen sie ja auch. Sie beobachten unablässig. Das Beobachten ist ihnen kein beobachten, sondern ein hinsehen. Wie sollten sie wegsehen, so argumentieren sie, wo die Augen doch auf die Dinge fallen. Die Ohren auch. Alles an ihnen fällt nicht auf, aber auf die Gegebenheiten, um sie bald schon mit einem Warnschild zu besetzen. Da die Warner vor allem warnen, warnen sie auch vor Warnschildern. (Dieses und jenes könne nicht sein, es ginge nicht an. Wo käme man denn hin, wenn Brachland zur Verbotszone würde, und dies nur eines Warnschilds wegen.) Sie warnen davor, sich vor der Warnung abschrecken zu lassen, denn die Warnung ist dem Warner kein Beruf. Sie ist seine Lebensaufgabe, sein Steckenpferd, seine Leidenschaft, sein Leben. Der Warner atmet die Warnung. Sie fliegt aus seinem Mund, nicht, weil sie einen Sinn ergeben, sondern weil sie ausgesprochen werden muss. Was bliebe vom Warner übrig, könne er nicht mehr warnen? Nichts! (So sieht es der Warner und warnt davor.) Ein Kellner, ein Lehrer, ein Politiker, ein Schriftsteller. Er wäre nur einer von vielen. Ein Opfer. Er weiß es. Was mit ihm geschehen könnte, dürfte er nicht mehr warnen, liegt ihm klar auf der Hand. Es ist ihm eine Warnung, die er so nicht stehen lassen kann.
Gewarnt sollte man sein, wenn man auf Menschen trifft, die einen warnen wollen.