Rezeptionsfragen, ff
Bescheidenheit ist etwas, das offensichtlich gerne mal mit Selbstbescheidung, ja Demut verwechselt wird. Das ist falsch, denn: sie ist ein Modus. Gestern >> kommentierte ich unter einer Opernkritik in die Dschungel, woraufhin mir jemand, der sich Impostor nannte, riet, ich könne ja ruhig der Oper und ihrer Sogwirkung verfallen, mich aber doch bitte nicht "so freundlich, höflich und bemüht" dazu äußern. Mich irritiert das. Hätte diese Irritation nur mit dem etwas schärferen Ton zu tun, der drüben herrscht, ich würde mich nicht weiter dazu äußern. Ich glaub' aber, es geht darüber hinaus. Ich vermute da eine Behauptung - oder sagen wir Annahme - die Rezeption von Kunst sei etwas, das einem einfach so zufiele, ohne Vorbildung. Intuitiv, sozusagen. Da müsse nichts gelernt werden. Da wäre keine (durchaus genüßliche) Bemühung im Spiel. Da könne, mit gesundem Selbstbewusstsein, einfach zugegriffen werden.
Ich kann das aus eigener Erfahrung nicht bestätigen. Ob ich nu ins Theater gehe, ins Ballet, in die Oper, oder in eine Ausstellung mit Gegenwartskunst: Ich werde immer mehr davon haben, wenn ich neben meiner Intuition auch auf Erfahrung und bereits Verknüpftes zugreifen kann. Klar - die unverbildete Reaktion hat ihren eigenen Reiz; die gebildete wirkt manchmal betulich dagegen, oder starr. Für mich ist es trotzdem interessanter, künstlerische Erfahrungen mit jemandem zu teilen, der oder die sich auskennt. Manchmal, wenn ich mich selbst auch auskenne, wird's dann ein Fachgespräch. Tu ich's nicht, schalte ich auf Lernen um und hör' mir das erstmal an. Ich nehme mir Zeit. Ich steige auch ein ins Gespräch, klar, aber eben in dem Wissen, dass es da ein Gefälle gibt. Da kann Bescheidenheit manchmal ein ganz angenehmer Grundton sein. Das nimmt mir nichts von meinem eigenen Erleben, sondern fügt etwas hinzu. Sollte doch eigentlich auf der Hand liegen (?) Lernen wollen ist jedenfalls kein Eingeständnis fehlenden Selbstwertgefühls.
So. Muss einen Text für die Stiftung schreiben jetzt. Würde mich aber sehr interessieren, wie Sie das sehen, geschätzte Leser:innen.
Donnerstag, 30. Juni 2011
Hier sammelt sich seit gestern einiges an Denkfutter, deswegen heute kein neues Tagesjournal. Möchte lieber Ihre Beiträge und Interaktionen nochmal lesen und eventuell reagieren. Vielleicht schalten sich ja heute noch ein paar neue Stimmen dazu. Blödler, übrigens, lösche ich weiterhin - ich hab' nichts gegen Albernheit, aber es gibt so ein Gespür dafür, wann die einem Thema etwas hinzufügt und wann sie schwächt... und dieses Gespür erwarte ich einfach von TT-Kommentator:innen! ; )
Die Anderen:: Gespräche über Kunst
Ich kann das aus eigener Erfahrung nicht bestätigen. Ob ich nu ins Theater gehe, ins Ballet, in die Oper, oder in eine Ausstellung mit Gegenwartskunst: Ich werde immer mehr davon haben, wenn ich neben meiner Intuition auch auf Erfahrung und bereits Verknüpftes zugreifen kann. Klar - die unverbildete Reaktion hat ihren eigenen Reiz; die gebildete wirkt manchmal betulich dagegen, oder starr. Für mich ist es trotzdem interessanter, künstlerische Erfahrungen mit jemandem zu teilen, der oder die sich auskennt. Manchmal, wenn ich mich selbst auch auskenne, wird's dann ein Fachgespräch. Tu ich's nicht, schalte ich auf Lernen um und hör' mir das erstmal an. Ich nehme mir Zeit. Ich steige auch ein ins Gespräch, klar, aber eben in dem Wissen, dass es da ein Gefälle gibt. Da kann Bescheidenheit manchmal ein ganz angenehmer Grundton sein. Das nimmt mir nichts von meinem eigenen Erleben, sondern fügt etwas hinzu. Sollte doch eigentlich auf der Hand liegen (?) Lernen wollen ist jedenfalls kein Eingeständnis fehlenden Selbstwertgefühls.
So. Muss einen Text für die Stiftung schreiben jetzt. Würde mich aber sehr interessieren, wie Sie das sehen, geschätzte Leser:innen.
Donnerstag, 30. Juni 2011
Hier sammelt sich seit gestern einiges an Denkfutter, deswegen heute kein neues Tagesjournal. Möchte lieber Ihre Beiträge und Interaktionen nochmal lesen und eventuell reagieren. Vielleicht schalten sich ja heute noch ein paar neue Stimmen dazu. Blödler, übrigens, lösche ich weiterhin - ich hab' nichts gegen Albernheit, aber es gibt so ein Gespür dafür, wann die einem Thema etwas hinzufügt und wann sie schwächt... und dieses Gespür erwarte ich einfach von TT-Kommentator:innen! ; )
Die Anderen:: Gespräche über Kunst
phyllis - 30. Jun 2011, 15:11
2631 reads
Verstehe ich nicht. Vielleicht bin ich auch nicht bemüht genug, um es zu verstehen.
@Strigops Habroptilus
@Weberin
Prüfungslust.
Prüfungslust ist auch, den Mount Everest zu ersteigen oder einen anderen Gipfel, auf den noch kein Fahrstuhl führt. Voll Prüfungslust ist jeder Leistungssport. Und wer mit der Kunst beginnt, braucht diese Lust rein zum Überleben. Schon, um nicht depressiv zu werden, sondern die andere Lust zu bewahren, die mit ihr zusammenhängt: die Lust am Lebendigsein.
@ Weberin, p.s.
@ Phyllis - in einer Sprache antworten
Zum Lob und den Kompetenzen ... mir fehlt sie ja an allen Ecken. Einer der Hauptgründe, warum ich so selten kommentiere.
Bei mir darf und soll jeder so kommentieren, wie es auf die Zunge fällt. Sonst bin ich am Ende den Kommentaren in meinem eigenen Blog nicht gewachsen. Wo sollte dann das hinführen?
@ANH
Ihr Beispiel mit dem Mount Everest scheint mir da nur teilweise vergleichbar: ein freiwillig in Angriff genommener sportlicher Wettbewerb unterliegt anderen Kriterien als die Beurteilung künstlerischen Handelns, finde ich.
@Shaima - magnetisch
Ich würde Sie im übrigen immer hören und lesen wollen, spontan oder gedruckst. TT ist kein Seminar. Und selbst Seminare gehen ja schief, wenn sich die Leute nicht trauen, zu einer, wie Schlinkert sie nennt, "ungeschützten Meinung" zu stehen ...
@Tinius
Vielleicht müsste man das hin- und wieder einfach aussprechen, auch wenn's einem selbstverständlich scheint? Denn, wie die Weberin oben schon richtig schrieb, unbegründet sind sowohl Lob als auch Kritik einfach Formen der Selbstprofilierung.
@ANH Prüfungslust
@ANH, MelusineB
@Weberin zu Resonanz & ernst nehmen
Beide Reaktionen finde ich wichtig. Profilierung ist ein Nebeneffekt, gegen den nichts einzuwenden ist, im Gegenteil, das motiviert ja auch.
In Ihrem Zeitnetz bin ich mir übrigens noch nicht so klar darüber, ob Sie sich auch kritische Stimmen wünschen, die sich konkret auf einzelne Texte oder Sätze beziehen. Sie haben da bereits eine Anzahl an Verteidigerinnen, die sofort einschreiten, falls mal ein anderer als lobender Ton laut wird, wie mir aufgefallen ist.
Und diese "Weberin, Sie sind goldrichtig so, machen Sie einfach weiter" Ermutigungen sind natürlich wunderbar. Ich unterschreib' die sofort. Trotzdem fand ich die Diskussion kürzlich, die sich um eine Formulierung bei Ihnen anbahnte, sehr interessant: mir persönlich würde es gefallen, wenn das häufiger geschähe. Will sagen: Sie werden bei sich "beschützt", und das ist gut so. Trotzdem, gerade bei Ihren Texten, weil sie so kurz und eigen sind, könnte auch noch eine Ebene des Austausches hinzukommen, die sich auf die Texte selbst bezieht, nicht nur auf die Empfindungen, die sie auslösen. Würde Sie das interessieren?
Was ich mich immer wieder frage
Das würde mich echt interessieren!
Liebe Shaima,
Gibt es denn überhaupt Leute, für die man nicht schreibt?
Die ernsthaft Ambitionierten?
Meine
Liebe Phyllis
Schnell durchgefönt ist gut - das haut mich wenigstens nicht um. ;-)
komplett verrückt
Über Ihre ausführliche Antwort auf meine Frage freue ich mich. Ich bin so neugierig, was jeder einzelne dazu zu sagen hat. Kann sein, ich suche nach meiner Antwort. Ich könnte ja keine Antwort geben, denn leider darf ich mich nicht zu "komplett Verrückten" zählen.
@Shaima
@Shaima & Norbert W. Schlinkert
Ich selbst mag ja Intensität beim Arbeiten ... und die entsteht nun mal selten ohne Ambition. Vielleicht ist es ja eher der Aspekt der Ernsthaftigkeit, der so ein bißchen reibt: wie schöner wäre es doch, aus einem vollen Lachen heraus arbeiten zu können. Daran fehlt's mir selbst auch ein bißchen: meine erste ernstzunehmende Falte ist die steile zwischen meinen Augenbrauen, die sich immer beim Schreiben eingräbt ; )
Das Strebertum also solches