
Leuchtturm in Montauk, Long Island, New York (Foto: Tim Hettler)
Literatur bei The Daily Frown: Diese Woche mit Prosaminiaturen von Kathrin Bach. Ein Auszug aus dem Text away/home.
away
wenn es stürmt, sind zuerst die promenaden leergefegt. wir rauben mit unseren blicken die schaufenster der inselboutiquen aus. du kaufst dir einen sandfarbenen blouson, ich stehe auf seepferdchen.
wenn wir nicht schlafen können, scheint der mond. wir sind ebbe und pfeifen auf den wind. der kommt durch alle ritzen und quellt die bettdecken auf. algen sind das neue kaviar, flüstere ich dir ins ohr. du kicherst, bevor du schweigst. sollte ich vor schnupfen schnarchen, lauschst du mir stumm.
unsere haut schält sich unregelmäßig. wir stecken uns blaubeeren in mundhöhlen und deine haut ist street art. ich schau dir und deinen kreuzworträtseln zu, eine insel mit vier buchstaben. die haut wird eingerieben, die adresse nicht verraten. wir telefonieren bloß aus der zelle.
wir lutschen austern und haben scampis zu knabbern. die sonnenmilch klebt uns aneinander, wir suhlen uns im sand. unsere zigarettenspitzen sorgen für romantik bei sonnenuntergang und achtzehn grad in dünennähe. als highlight besteigen wir leuchttürme und wetten um wolken. ich gewinne.
du verlierst bei backgammon und deinen sonnenhut. wenn du lachst, bin ich dabei. mein i-phone empfängt dein lachen und überregionale radioprogramme. wir schreiben keine e-mails, bloß adjektive in den sand. die möwen sind eiskugeldiebe, wir räuber und gendarme. wir schließen freundschaft per morsecode.
zur unterhaltung gibt es mittagsmagazin und kaugummiblasen. ich stech dir mit dem zeigefinger in kirschgeschmack, du kicherst über die ard-dame im kostüm. von der langeweile kaufen wir uns dvdreihen und kartenspiele. du ziehst die buben, ich schau dir in die karten.
du willst eine möwe mit nach hause nehmen, wir einigen uns auf federn und polaroids vom fliegen. wir machen alles nochmal zum letzten mal und zählen laut mit. zum letzten mal vanilleeisflecken auf t-shirtstoff. zum letzten mal modellflugzeuge und sagrotan. ich streichle deinen po.
in unsere koffer rieselt sand. wir nehmen mit, was wir kriegen können und bestellen uns ein taxi. der fährhafen macht uns den abschied schwer, wir werden sentimental. als ohrwurm seemannslieder und möwenchor. wir biegen um die insel, verschütten milchkaffee auf der fähre und winken.
home
die räder deines fahrrads waage-, der schnee rieselt senkrecht. du schiebst das rad, ich trage handschuhe. fäustlinge in schneebeige, wir benutzen fußgängerampeln. bei grün stellst du fragen, die mit punkten enden. es juckt unter meiner mütze.
nebeneinander her laufend bis zum nächsten kiosk, dann wird geteilt:
vollmilchschokolade, das grüne feuerzeug.
du lehnst das rad gegen die mauer und deinen körper gegen speichen
und kettenblätter. während wir rauchen, lauschen wir bauarbeiten. ein ohrwurm des presslufthammers und du wirfst zigarettenstummel in richtung des schnees. funkenschlag im gesichtsfeld, schwarze löcher im neuschnee.
werden wir nach dem weg gefragt, tust du isländisch. ich stottere navigation. halten wir uns an den handschuhen, sehen wir nach 21.märz aus. im februar beginnen die pollen mit ihrem flug, sagst du. sogar die kioskbesitzer sagen du, wir lesen biete & suche im dialog. die stimmen an den haltestellen ein hörspiel, wir haben den gleichen heimweg.
ich deute auf straßenlaternen, penthousebalkone im gehen. wenn du zwinkerst, blendet die sonne, der schnee unter den füßen. wir, gefüttert, stapfen synchron durch schneemassen über sieben zentimetern. du unterbrichst mich beim zuhören, ich frage nach enten am tauenden flussufer. nach dem doppelpunkt wirfst du krumen von der brücke. dein lachen eiskonfekt.
wir schauen in die auslagen der souvenirläden und zeigen mit der ganzen faust auf dosenöffner und einwegkameras. wir, gespiegelt im glas, sehen uns im winter ähnlicher.
ich halte das rad fest, du gibst zwei euro zu viel aus für eine kirchturmminiatur, bronzefarben. die drückst du mir in die faust, dann dreht sich das reifenprofil durch hundekot.
wir frieren zusammen, bis zum dritten haus auf der rechten seite. im hausflur riechen wir salamipizza, trinken den letzten schluck aus den glasflaschen und stoßen mit den oberarmen aneinander.
zuhause ist, wo dein aquarium steht. das wasser leuchtet, die fische haben namen und flossen. wir haben zwei zimmer, küche, bad. gehen wir schlafen, läuft gegenüber noch der fernseher. gehen wir aus dem haus, nimmst du das rad, ich adidas-turnschuhe. in unserer küche riecht es nach frühstück.
den hellsten fisch nennst du alaska, wir verzichten auf kosenamen und partnerlook im schlafzimmer. stattdessen lache ich über deine witze, du kochst besonders gerne pasta à l´arrabiata.
ich kann dein lieblingslied auswendig, du bist gegen karaoke. zum einschlafen dein schnarchen und im drehen auf die andere seite ab und zu großstadtlichter.
Kathrin Bach wurde 1988 geboren und studiert Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis an der Universität Hildesheim. Sie schreibt Prosa und Lyrik und war dieses Jahr Finalistin beim Prosanova-Literaturwettbewerb. Gedichte von ihr kann man im Poetenladen lesen.
Ein Kommentar zu „Adjektive im Sand, Schwarze Löcher im Neuschnee“