Der kunterbunte Flug

Unergründbar im Selbst gefangen. Unergründbar selbst geblieben. Dreifache Tage, unterteilt in den Morgen, den Mittag, den Abend. Die Nacht ist alleine, es gibt keine frühe Nacht und keine späte Nacht. Die Mitternacht wäre ja nur die Mitternacht, wenn diese um sechs Uhr Abends begänne und morgens um sechs Uhr ihr Ende fände. Der Mensch ist ein mieser Statiker. Schubladenschreiner, allesamt. Analogie.
Nutze das Geflecht der Körbe, um an ein Ziel zu kommen. Sei der Zaunreiter! Sei die Nachtigall, der Fink! Und sei vor allem Amsel, aber droßle dich nicht in deinem kunterbunten Flug! Verdrossen pflückt die Hand einen Halm, bevor sie ihn verwirft, vergißt und damit für nichtig erklärt. Sie löst damit das Universum aus.
Der Sturm beginnt im rechten Bein, der Honigmund ist schwarz. Der Eisenkadaver vergibt uns nicht und rächt sich durch seine Leichenblässe, seinen Nichtverfall, seinen Rost. In den Städten sind wir Flocken und leben durch uns hindurch, aufeinander – über, hinter uns hinfort. Die Tage über zeigten wir unsere Furcht, in den Nächten überfielen wir die Dörfer. So wurden wir der Tage zur Niederlage gezwungen, die Nächte doch gehörten uns.

Im Wald lauschten die Vögel einem Flötenschlag, der die Bäume fällte und der keine Gesundheit kannte. Nur die Länge einer Klavierzeile hatten wir zu warten und darin befand sich die Minute. In der Waagschale liegt das Ensemble der Stille und fristet Stunden, um zu erkennen, wie die Musik beschaffen ist. Energiegebilde. Mitten der Nacht. Oft sanken wir im Traumschiff nieder. Mitten der Bahn, mitten des Gebrülls. Gefühlt und in Watte.
Das Auftauchen des Traumes ist das rituelle Fest in der Mitte verlorener Köpfe. Adrenalingepeitschte Seen. Wacholderwurz und Lichtertanz. Hinter mir errate ich gerade noch das Gestern. Ich packe mich an den Haaren und schleudere mich von oben hinab auf die Strasse, die sich prall unter mir windet.
Die Vernunft ist ein Loch, sie füllt sich mit dem Saft der Weisheit und bleibt schal stehend zurück.

Trug eines Traumes, der Nachtrose darin, die in Tischlermanier ihr Blattwerk drechselt und verstohlen zugibt, Sonnenstahl zu fressen.
Flötengesänge, Walbuttermilch, trapez-webende Stille, kreisrundes Nichts. Ein Korn von dir und deinen fortlaufenden Schemen.
Fängt es uns nicht, fängt es der Tag und zehrt es auf, in Gruben und in Kuben.
Wortschatzgeschwängertes Papier teuflische Metaphysik bist du gewesen, als du noch in der Vulva der Gedanken schwebtest.
Aluminiumbemäntelt klingelst du in der Nacht, mich aus dem Schlaf meiner Sinne.
Allesamt synästhetisch, verwoben im Drangsal, ein Gedicht zu schreiben und in den Nachttopf zu urinieren.
Blechernes Weben, anomaliensymbolisches Traktat und stampfender Erguß.
Hechselarbeit und Spreu vom Weizen trenne sich, und Regen.
Hormonelles Plakat, geronnenes Gesicht auf Zelluloid.
Ich beobachte das Nichtvorhandene. Ich beobachte den Esel in der Mulde, die Laus auf dem Dach, den Mond in der Frau, die Angst im Mann, das Sagen, die Sagen, nicht Licht.
Umrankt der Wölfe Sinne, umtobt des Berges Inbrunst. Unnahbare Fernen haben mein Haupt gehetzt in ferne Welten, wenn Lebensstaub das Irdium durchwebt, plärrende Steine, erschlagen von Wasserpeitschen der Gefälle.
Lange Wege in den Joghurtkulturen, zu begehen nicht gedacht. Ein Licht hämmert auf unsere Zyklopen, Lichterbrand auf der Herdes Flamme, entgegengesetztes Murmeln hinter den Ohren. Blank bleibt ein gewitztes Skelett an diesem Licht haften. Meine Tage zählen mich aus, weil ich im Wahnwitz gefangen meinen Futtertrog vorfinde. Das Wasser ist brackig. Ich trinke es dennoch und proste den Wänden zu. Sie sind karg und alt. Widerschein blitzt mir aus dem Auge. Die Menschen werden von der flachen Erde stürzen mit einem Handschuh aus Gold und einer Socke aus Silber. Es sind keine Balladen, die erzählen, auf welche Art wir Tage gestalten, auf welche Art wir Nächte gestalten und auf welche Weise wir schließlich krepieren. Wir verehren unseren Mundschmuck, Goldzahngeruch, gespaltene Lip-pen und ein Schuß Karies ergeben unser Lächeln. Wer wird den Sinn erkennen, wenn er sich vorstellt? Er wird ebenso erschlagen werden wie rätselhafte Clochards.

Veröffentlicht von

Michael Perkampus

Michael Perkampus war Moderator der Literatursendung Seitenwind für Radio Stadtfilter in Winterthur. Er ist Autor, Übersetzer und Herausgeber des Phantastikon.