Febraur, Dreizehn, Sieben

Was taten wir zu Heute? Wir befaßten uns mit Cortázars Erzählungen, die ja zum Besten gehören, was die Literatur in diesem Genre bezeichnet, wir überflogen kurz Die Erfindung der Liebe und auch wenn sie noch etwas holpert, werde ich sie morgen einstellen, sie wurde ja für die Kleinen Knüller geschrieben, ich hielte es für Unsinn, sie nur aufgrund ihrer Länge auszusparen.
Tatsächlich macht es mir augenblicklich Spaß, diese kleinen Tastenspielereien zu schreiben, weil ich mich vor dem Umzug nicht so sehr auf meine hermetischen Erzählungen einlassen will, sie erfordern ja etwas ganz anderes, fordern mich ganz und gar, ohne an einen Tag, eine Nacht, ohne an überhaupt etwas zu denken als das Mouvement, das Tableau, die Szene. Dieser Akt der völligen Auflösung erfordert einen Zeitraum, der sich nicht mehr in einem herkömmlichen Jetzt abspielt. Da ich ein genialistischer Schriftsteller bin, also vollkommen nach der Inspiration ausgerichtet, eben kein Handwerker, habe ich mir nun Freiraum erbeten, denn man weiß dies: Die Inspiration kommt wann sie will und dann muß man bereit sein, egal wann und egal wo das ist. Da es sich beim Schreiben natürlich auch um eine Geisteskrankheit handelt, zumindest so, wie ich das Schreiben praktiziere, habe ich mir angewöhnt, nur Nachts aus dem Haus zu gehen oder, sobald ich von der Ferne einen Menschen sehe, einen großen Umweg zu laufen. Meine Einkaufszeit (die ich immer sehr fürchte), lege ich sehr früh in den Morgen und stürze in besagtes Geschäft, hetze durch die Regale und spurte schleunigst wieder hinaus, um in einer Seitengasse zu verschnaufen.
Wer das nun für paranoid oder zumindest verrückt hält, tut gut daran, mich niemals treffen zu wollen.

Februar, Zwölf, Sieben

franz-anton immernoch in straßburg, adam muß sich nun von der anderen welt nähern. ich weiß noch nicht, wie ich den durchbruch ermöglichen soll, darüber denke ich nach, alle möglichkeiten stehen mir zur verfügung. einige szenen, die ich in eben dieser begutachteten luft erspähe, kann ich noch keinem protagonisten zuordnen.
ich muß etwas früher aufstehen, war heute bereits halb acht. vielleicht erkenne ich die personen besser, bevor die sonne aufgeht. wichtig ist dieser wind, der durch mich hindurchweht, auch wenn ich heute keine einzige zeile geschrieben, wohl aber gedacht habe. nur keine normzeilen! keine verlängerung der bilder.

Februar, Zehn, Sieben

(…)aber sehen Sie: irgendwo hinein-zupassen, das kann kein Dichter wollen. Der Mainstream wurde mir, sozusagen aus dem Leib geätzt mit vielerlei Geist (…) Korr. mit Katharina Sieckmann, 2005

Wenn man völlig abgeschnitten ist von jeglichen Zugeständnissen, die es zu machen gälte, so wie ich das bin, hat man natürlich gut Lachen. Andererseits ist es ein Wahrnehmungsphänomen, daß ich nämlich vor lauter Dreck und Popanz nicht wahr-genommen werden kann, daß es keine Rezeptionsgeschichte geben kann, weil ich zu schwierig und arabesk aufspiele, weil ich, wenn ich erzähle, die Welt wie einen Sog in ein schwarzes Loch hämmere, weil man es nicht gebrauchen kann, daß es einen wie mich gibt, der die Null in seiner Seele tätowiert trägt, Zahl des Narren, der ich bin.
Ziffer – nicht Zahl, die im arabischen sifr nun auf die Form einer geschlossenen Muschel bei den Maya, dem sunya der Inder, Zephirum bei den Engländern hinweist, als Form also deutbar diesem: Die Muschel sowie die Null ähneln der Vagina und freilich ist die Null die universelle Gebärmutter, denn jede Zahl entsteht aus der Einheit und diese wiederum aus der Null.
Der Narr steht dem Treiben der Welt gleichgültig gegenüber, was in dieser Welt wichtig ist, interessiert ihn nicht mehr.
Wie sollte denn jemand wie ich betteln gehen vor den Toren korrupter Verlagsanstalten, solange es noch nahrhaften Dreck von den Strassen zu lecken gibt – wie wurscht ist mir das Leben für jemanden. Wie sollte ich den Dreck scheuen, aus dem ich komme?
Das kann man sagen: Unausgeglichenes Genie, weil nichts an meiner Sprache rührt, die aus einer anderen Welt mich angeht. Mystisch? Nein, denn eine andere Welt liegt nicht entfernt, sozusagen ist sie bloß ums Eck, für die Halsstarren nicht im Bereich einer Kopfwende.
Würde ich das sagen, wenn ich nicht der Autor des „Acheron“ wäre? Natürlich nicht, dann würde ich schweigen. Müssen.
Ich bin nicht in diesem verfluchten und angeblichen Wohlstand aufgewachsen. Während sich die anderen gegenseitig nach der Schule die Pickel ausdrückten, fraß ich verschimmeltes Brot oder versuchte, meine Klamotten mit eiskaltem Wasser zu waschen. Ich stank in der 7ten Klasse, ich stank in der 8ten Klasse, ich stank in der 10ten Klasse wie ein Schwein und war abgemagert bis auf die Knochen, trug Second-Hand und klebte Poster mit meiner Wichse an die schloßähnlichen Wände, weil ich weder Tesa noch Reißzwecken besaß. Das war meine persönliche Nachkriegszeit, und vielleicht war es eine Art Ahnen-Rache, weil alle Kerle unserer Familie ohne einen Kratzer oder zumindest einem Schrapnell im Bein aus dem Krieg zurückgekommen sind.

Februar, Fünf, Sieben

Ich habe mich niemals so sehr auf den Fluß einer Geschichte eingelassen, wie es bei den verschiedenen Teilen der „Mitte“ der Fall ist. Da kann ich durchaus warten, was geschieht und tagelang nur Sätze bilden, Worte murmeln. Der Sog kommt bestimmt.
Wie heute zur Straßburger Phantasmagorie. Franz-Anton zieht die Uhren auf. Endlich.
Es ist so wie ich sage: Man darf sich nur einschließen, mit niemanden reden, nichts tun, nur auf die Eingebung warten, tagelang, wenn es sein muss wochenlang, nichts anderes tun, nur auf die Szene warten, bis sie irgendwo im Universum geschieht, so dass man sie nur noch notieren braucht. Entweder man lebt oder man schafft ein Werk.
Die zwei Klavierkonzerte von Liszt sind mir über all die Jahre die liebsten gewesen, noch vor Chopins Meisterwerken. So auch heute, so auch jetzt.
Die fetten Schweine über mir trampeln auf meinen Nerven herum, das sind nicht weniger als Elefanten. Deshalb der baldige Umzug. Ich benötige vollkommene ätherische Ruhe.

Februar, Vier, Sieben

Hoffnung gibt es für die Einen, für die Anderen nicht. Hoffnung ist nicht grundsätzlich da.
Güte ist eine Art Krankheit, die selten vorkommt, wer die dreckige Bestie Mensch verklärt, lügt, und er tut das vorsätzlich, mit der Absicht, zu täuschen.
Kulturbeauftragte lassen verhungern = geduldetes zugrundegehen.