Den adam als einzelwerk herausgeben. Die verschiedenen erzähltaktiken bündeln. Erstes hörstück, soll ich es ebenfalls ein tonwerk nennen?
Meine stimme gehört so sehr meinem eigenen werk, so dass ich kaum anderes zu lesen vermag – und dann auch noch schlecht, wenn doch.
Es ist die geige des komponisten. Wenn sie etwas anderes spielt als dessen werke, das kann sie ja dennoch – oder wenn der komponist das andere spielt, dann ist es von… so einem blödsinn.
Im gegensatz zu einem nun tu so als ob du der und der wärst, ist es bei den eigenen stücken ein ich sage, wie ich es sage, nicht einmal ein ich sage, was ich sage. Das ist sehr formell.
Ein deformierter inhalt ist nicht lobenswert. Eine inhaltslose form kann jedoch ein ästhetisches empfinden hervorrufen. Und es kommt, wenn es gerufen wird. Den kreis schließe ich mit der gerufenen ästhetik, die, das sehen sie ja selbst, sogleich auf der hand liegt.
Der komponist spielt ein stück auf seiner geige und ruft damit die ästhetik hervor, die einer harmonie entspringt, die gar keine harmonie sein muß, um eben gerade harmonie zu sein.
Monat: Mai 2007
Mai, Siebenundzwanzig, Sieben
14.58
Wenn es um literatur geht, kann es nur das beste sein. Man schielt nicht einmal nach dem, was in seinem kern keine radikalität versprüht. Deshalb beginne ich die prosa für den podcast mit Leautréamont und dem sechsten gesang des maldoror. Denn obwohl ich auch aus Bretons nadja, Artauds surrealistischen schriften, Millers schwarzer frühling, Nervals aurelia lesen möchte, fällt der beginn nur ihm zu, dem engel des bösen, der 1846 in Montevideo geboren, 1870 in Paris starb.
Die liste der zu bestellenden antiquarischen bücher ist wieder einmal lang geraten und nachdem Buchhandlungen nur noch schund verhökern, gehe ich auch in keine mehr. Freilich leben sie von diesem dreck dann auch und husten kaum, wenn sie sich an ihrer suppe verschlucken.
Als ich im letzen jahr drei monate in Heidelberg arbeitete, wo unter anderem timber entstand, konnte ich jedoch mein staunen kaum verbergen: dort gibt es sehr wohl noch bücher zu erstehen und beinahe täglich lümmelten wir in den antiquariaten herum, schleppten kilo um kilo literatur heraus, sie zu retten, denn gerettet ist sie, wenn sie in den regalen der verständigen steht.
Kilo um kilo literatur! Wie viel schwerer mag der inhalt wiegen!
21.36
Komme mit einer für den sechsten gesang gedachten stunde nicht hin. Werden wohl anderthalb stunden werden. Aber ich kann und will Leautréamont nicht abwürgen.
22.00
In Russland prügeln sie schwule demonstranten und sagen, daß dies eine degeneration sei. In wahrheit ist es doch aber so: wer liebe, in welcher form auch immer, unterdrückt, ist kein mensch und noch nicht einmal auf der stufe eines tieres angelangt.
Mai, Sechsundzwanzig, Sieben
Ein gewaltiger Kater ließ mich für gestern komplett ausfallen. Daran änderten auch die Konterbiere nichts. Auch heute habe ich noch den Nachklang zu tragen. Preis einer tagelangen Radikalkur. Trotz aller Handicaps muss ich mich nun nach draußen hangeln, weil in der bürgerlichen Welt die Läden um 16 Uhr schließen. Auch Sklaven haben heutzutage ihren freien Tag – warum aber keine frisch ausgeruhten nachrücken, ist mir schleierhaft. Vermutlich stimmt die Organisation nicht und Menschen wie ich, die wirklich etwas zu tun haben, müssen sich an Zeiten halten.
Dann stehe ich da und kaufe nichts, weil meine Konstitution nicht für die wabernde Masse gemacht ist. Kaufe nichts und esse heute Reis mit Bambussprossen.
Mai, Vierundzwanzig, Sieben
Wenn ich dem Weg folge, der zu jenem Geschäft mich bringt, dort ich in den Besitz böhmischen Biers komme, legt sich zur rechten Seite eine Umfriedung in die Landschaft, in der sich ein öffentliches Bad befindet, eine Installation, der ich mißtraue. Doch heute spielten dort die Mädchen halbnackt Volleyball auf Boden, sandig und Pärchen beugten sich übereinander und am Zaun saß einer vor seiner kleinen Göttin und blickte sie voller Geilheit an, während sie sich die Zehen knetete und es gar nicht zu bemerken schien.
Ich blieb dort etwas länger, ein öffentlicher Voyeur und dachte an die Menschen, die zu einem gewissen Teil aus dem Wasser stammen. Dort steckt die Erinnerung an ihre erste Wollust. Dort trank ich das erste Bier des Tages auf nüchternen Magen und begann zu visionieren.
Mai, Neunzehn, Sieben
14.11
Ich habe wenig übrig für Filme, das ist bekannt. Das liegt aber an der Tatsache der noch größeren Vermüllung als es in der Literatur der Fall ist. Es ist wesentlich komplizierter, gutes Filmmaterial zu beschaffen als an gute Literatur heranzukommen.
Das zweite ist, daß ich an sich gar nicht die Zeit dazu habe, mich groß mit Filmschaffen zu beschäftigen, auch wenn die Möglichkeiten der visuellen/akustischen Ebene großartig sind. Vermutlich ist ein nicht gelungenes Projekt als Einzelkunstwerk auch besser zu verschmerzen. Der Film muß eine Masse erreichen, weil dort mit erheblichen Geldern jongliert wird. Darin sehe ich den Grund, warum Television und Hollywoodgekitsche sich die ganze kulturelle Entwicklung einverleibt haben. Sie machen sich die Masse zum Prospekt, eine Entwicklung, die gerade auch in der Literatur mittlerweile von statten geht, weil sie funktioniert. Erfolg ist immer dann vorhanden, wenn man einem großen Klientel nach dem Maul redet.
Zwei Filme, die ich als meisterhaft betrachte sind Lost Highway und Mulholland Drive. Beide Filme sind von David Lynch.
Die Filme gefallen mir nicht etwa, weil sie von David Lynch sind, doch ist es für klar, daß nur David Lynch das kann, was mich als Schriftsteller und Surrealist interessiert.
In Lost Highway taucht diese postmoderne Möbiusband, das bereits John Barth in die Literatur einführte, auf. Dabei handelt es sich um ein dreidimensionales Gebilde, das nur eine Kante und eine Oberfläche besitzt, beim Fehlen einer eigentlichen Mitte – man kann auch sagen, die Mitte dreht sich, um sich am Ende mit dem Anfang zu verbinden.
Die absolute Perfektion jeder einzelnen Einstellung, die den Rahmen des Erzählbaren sprengt, ist in beiden Filmen zu erkennen, wobei man dem Mulholland Drive anmerkt, dass er als Pilot zu einer Serie gedacht war, angereichert mit acht Szenen, die ihn zum Preisfilm werden ließen, nachdem er von der BBC abgelehnt wurde.
Keiner der genannten Filme ist besser als der andere und beide Filme symbolisieren groteskerweise das, was ich auch in der Literatur suche und zb. bei Robert Coover finde. Andersherum: ich kann einen Film nur akzeptieren, wenn er dem entspricht, was für mich Literatur zu sein hat.
„Ich erinnere mich an die Dinge lieber auf meine Weise.“
„Auf welche?“
„Wie ich mich eben an die Dinge erinnere, nicht unbedingt, wie sie passiert sind.“
15.46
Zweites Frühstück mit Pferdewurst, die es in der Schweiz in hervorragender Qualität gibt. Dazu erntefrischer Knoblauch aus Ägypten.
Sicher, es kann keinen erntefrischen Knoblauch aus Ägypten in der Schweiz geben, gemeint ist jedoch das Gegenteil des allgemein bekannten Lagerknoblauchs.
Den qualitativ hochwertigsten Knoblauch gibt es allerdings erst Anfang Juli, er stammt, wer hätte es nicht vermutet, aus Frankreich, es ist der Ail rose de Lautrec.