Juni, Neun, Sieben

Wollte ich eben noch etwas Rilke lesen, wurde ich ganz und gar abgelenkt von keksen. Sind kekse nicht der inbegriff einer hochkultur und ist am ende die ganze zivilisation von keksen abhängig? Ich glaube schon. Wie entstand der keks? Einfache antwort: … eines tages wurde einem engländer das zuckerbrot schlecht, besser gesagt, es wurde hart, dann steinhart, dann keks. Auch hier treffen wir sie wieder, die gute alte evulotion. Erst haltbar, dann schlecht, wobei das schlechte beim keks, da es nun einmal das harte ist, ja das beste eines anderen ist, nämlich eben genau jenen kekses, der aus dem zuckerbrot hervorging. Das englische zuckerbrot stellt den Cro Magnon in diesem beispiel.

Juni, Acht, Sieben

15.44

Eine weitere Orchidee kam heute ins sortiment, einiges umgetopft, vom wilden wein einen ableger genommen.
In der küche gab es gestern enchiladas, mir fehlten allerdings die frijoles, es war dennoch eßbar; heute hingegen siede ich ein hüftstück vom rind mit wunderbaren phasern in wurzelgemüse. mal sehen, ob ich nicht nachher noch einen blumenkohl dazu finde, insofern ich es schaffe, ein geschäft zu betreten.
Wer sich nun fragt, wie ich ansonsten an meine kulinarischen substanzen gelange: freilich werden sie mir gebracht.

16.04

Muß jetzt meinen hund holen, der einen anderen hund besucht. Was nicht zu vergessen ist: essen sie erdbeeren. Man sagt zwar daß, wenn man es nicht tut, die welt davon nicht untergeht, aber das stimmt nicht. Und nennen sie die erdbeere niemals eine beere, sie ist nämlich eine nuß. Und: fragen sie nicht, warum meine erdbeeren auf einem roten kissen stehen.

16.14

Die bildungsgesellschaft: jeder weiß heute alles und was nicht gewusst wird, schlägt man schnell im internet nach, ob das, was da steht stimmt oder nicht, spielt keine rolle, hauptsache, man weiß etwas.
Sehen sie, was ich weiter oben sagte: die erdbeere ist eine nuß. Das ist kein geheimnis, man kann es ganz bequem nachschlagen. Ich sage also nur etwas, das ganz leicht jeder wissen könnte – das ist natürlich kein wissen, denn es bleibt an der oberfläche, über die erdbeere wird deshalb nicht mehr gewußt.
Man muß sich also die frage stellen: sollen wir, wenn der pöbel schon alles weiß, noch mehr wissen oder das Wissen als solches in frage stellen?
Beides wäre denkbar. Nehmen wir das wisseninfragestellen.
Jeder weiß: Erdbeeren sind ein schlankmacher. Das ist natürlich blödsinn, es stimmt in etwa so, als wenn man sagt: kaffee ist ein schlankmacher. Tatsache ist: die erdbeere macht nicht dick (das heißt noch nicht, daß sie schlank macht, aber es verkauft sich eben besser). Tun wir jetzt so, als wissen wir nix, rein überhaupt nix – dann essen wir das ganze jahr erdbeeren, tun zucker drauf und schlagobers wie die lieben österleins. Und siehe da: wir entlarven das gerücht, die erdbeere sei ein schlankmacher als lüge.
Wollen wir jedoch so tun, als wüßten wir mehr als das, was wir nachschlagen können, dann drücken wir das so aus: Rainer Maria Rilke war besessen von Erdbeeren. Er lies schon mal eine frau dafür sitzen und pflückte sie sogar selbst auf großen feldern. Viele gedichte schrieb er mit einer beere (natürlich einer nuß!) im mund und auf den skriptseiten zu seinem Malte finden sich erdbeerflecken!
Und warum das alles? Nun, in der Erdbeere finden sich große anteile an Kämpferol und Ellagsäure, Anthozyan und Katechine. Merkt man das Rilkes gedichten nicht an?

Juni, Sechs, Sieben

Eine große tragik liegt darin, bücher aufzutreiben, die etwas taugen. Ein einziges buch nur, nehmen wir ruhig einmal Maurice Blanchot – dazu rast man alle antiquariate ab. Man hat nicht die möglichkeit, in einen buchladen zu gehen, weil es dort für leser kaum etwas gibt, man hat nicht die möglichkeit bei amazon zu bestellen, weil es dort ebefalls der schund regiert. Wo in gottes namen soll man zukünftig literatur bekommen, wenn man nicht gerade sehr viel geld hat, so dass der preis keine rolle mehr spielt.
Mich würde es dennoch interessieren, ob es wirklich nur in diesem kulturkreis unmöglich ist, an bücher zu kommen oder ob hier ein grundsätzliches interesse der marktstrategen besteht, nur noch scheisse regnen zu lassen. Meine bücherlisten türmen sich, das meiste davon ist freilich nicht einmal übersetzt, bekommt man dann doch einmal wieder erwarten ein literarisch wertvolles werk in deutscher übersetzung, ist diese eine frechheit und eine schweinerei (siehe breton, l’amour fou). Und ich soll nicht von kulturfaschismus sprechen? Ich fürchte, es ist sogar noch schlimmer.

Juni, Vier, Sieben

11.18

Mensch muß sich gestalten, muß spiegel bauen. Die gestalt wittert gestalt. Die masse sucht nach neuen werten – das sind alte werte; wie eine ratten im käfig rennt das massengemensch im kreis herum, kommt immer wieder am eigenen scheißhaufen vorbei und am nächsten, auch am nächsten und dem da drüben und kreuzt nicht einmal seinen eigenen irrsinn.

11.27

André Breton, die kommunizierenden röhren, 1. Auflage, 2000 Exemplare. Darum geht es.

11.52

Jetzt muß es doch klar werden: wir können uns nicht mehr länger schriftsteller nennen lassen, nun, da ja jeder schreibt; am allerwenigsten dürfen wir noch irgendeine form roman nennen, nun, da ja jeder romane schreibt. Bleibt uns noch, nicht mehr den geringsten gattungsbegriff aufrecht zu erhalten. Erkennen wir etwas, das eingeordnet werden kann, vielmehr will, müssen wir es dem müllschlucker anvertrauen. Ich glaube, es ist sogar noch schlimmer: wir dürfen nichts mehr mit Literatur zu tun haben wollen, wenn Literatur nunmehr das ist, was ich vermute.

Juni, Zwei, Sieben

05.47

Ich bin früh dran, für mich ist es spät. Noch einmal zur überprüfung der verschiedenen aspekte im Adam.
Die geschichte -(ich wähle diesen begriff ich gebe dieser bezeichnung den vorzug gegenüber der erzählung oder der provokativen gattung roman, selbst wenn ich es erneut Nouveau Roman nennen wollte, müsste ich die hier spezielle form räsonieren, was ich gegenwärtig jedoch nicht als notwendig in betracht ziehe – fußt auf (in der ersten schicht) einer dreiteilung prolog – tableaus – babylon (oder epilog) und rückt, rein formell allerdings, zum drama. Ausgangspunkt ist ein raum oder ein zimmer, das neben
– münze
– tür
eine schlüsselstellung besetzt. Der Genius Loci ist ebenfalls dreigeteilt:
– fichtelgebirge
– babylon
– paris

Träger der geschichte ist das werden durch erinnerung.
Zweiter träger: die liebesgeschichte, die sich in folgende parts zerlegt:

– erinnerung (sie schliesst die tür)
– die unsichtbare begleiterin (adam erschafft ein phantom)
– die göttin (babylon)

die göttin wiederum:

– lilith
– ischtar
– myrrha

die persönlichen stilmerkmale der groteske, des surrealen, der ausgeklammerten dialoge, des monologs (das völlige abschaffen der distanz, der autor ist figur und wahrnehmender aspekt, heißt: der autor ist mit der figur im stück vorhanden), mit einer unterschiedlichen klangfolge der worte (auch der zeit und der geschwindigkeit der wechselnden bilder und zeiten) undsoweiter

16.22

Das ist durchaus eine literarische formel: Deutschland, das ist Karl May und Goethe, sogar in dieser reihenfolge. Kehlmann zum beispiel schreibt schlechter wie karl may, aber er ist bei den massen begehrt wie goethe. Die formel funktioniert!
In Frankreich ist das anders. Die Kelten, die ja bekanntlich nur einkaufszettel schrieben, aber die dichtung über die natur und die mythen als schrift verweigerten, taten das nicht zuletzt, weil sie wussten, dass ihr schweigen gleichzeitig das meer vertieft, aus dem dann die jungen dichter, ihre fischhaut abstreifend, an land wanken, trunken von DER SEE, sich das nächstbeste blatt rupfen, um es sogleich inbrünstig mit buchstaben zu beschreiben.
Sehen wir mal nach, ob es klappt: ich habe hier einen beutel, da ist etwas von diesem urmeer enthalten – als staub freilich, nicht flüssiges meer also… und da greife ich hinein und ziehe, nur so zum spaß… Paul Valéry und…. Maurice Blanchot… na wer sagts?

17.24

Bitte nicht clown.