November, Vier, Sieben

um einen traum zu konservieren, darf man sich nach dem erwachen kaum bewegen. auf keinen fall darf man durch geräusche oder etwas anderes, das die sinne ablenken würde, beeinflusst werden. jegliche idee findet im traum statt, nur selten will die traumsubstanz nicht ganz loslassen, nachdem man erwacht ist. es kommt kaum vor, dass ich sofort nach dem erwachen beginne, zu schreiben und nun, nach 3 stunden und 23 minuten nach der rückkehr aus der eigentlichen wirklichkeit in die hiesige oberflächenwelt, darf ich nun endlich frühstücken, die eckpfeiler sind notiert und gereichen wir für eine neue erzählung, die damit beginnt, dass jemand in einem dorf auftaucht, übersäht mit schwären und auch sonst nicht gut beieinander. er führt ein kriegspferd mit sich (das allerdings kam im traum selbst alles nicht vor, es handelt sich hier um einen parallelgedanken – man sieht ein bild und denkt etwas völlig anderes, sofort kleidet der poetische genius die nackten kontraste zu. man darf auf keinen fall einen traum nacherzählen, man muss die idee verwenden, denn es ist ein irrtum, dass es im traum etwa bilder zu sehen gäbe. das alles ist bereits transkribtion. wir dürfen nicht vergessen, dass der traum selbst sprache ist und eben genauso funktioniert.)
die ausbeute ist der gedanke an den fremden, der in ein dorf kommt. das ist eine gute situation, der fremde hat nun vermutlich einiges zu erzählen oder auch anzurichten.
dem gegenüber steht nun eine junge frau, die den einen mann liebt, aber den anderen heiratet. die junge dame wird im verlauf der geschichte einen mittelfinger auf gewaltsame weise verlieren, ihn einrahmen und mit glas versehen lassen, so dass man ihn an die wand hängen kann – und dem mann geben, den sie liebt.
das ist freilich nicht alles, aber da es sich ja um eine erzählung handelt, muss ich sie hier nun nicht bereits vorwegnehmen. das letztgenannte, der abhandene finger sowie die junge frau, sind tatsächlich aus dem traum herausgearbeitet, wenn auch in einen anderen bezug zueinander gesetzt.
der traum selbst löste die erinnerung an einen anderen traum aus, den ich etwa vor sieben jahren einmal träumte und ich bin mir nicht sicher, ob ich mich nur an einen anderen traum erinnere oder ob ich einen teil davon im heutigen traum selbst wieder träumte, in einer etwas anderen perspektive, so dass der traum vor sieben jahren im nachhinein einen prophetischen charakter bekäme. dieser handelte davon, wie ich eine frau auf einem blanken holzfussboden liebe. damals war es eine fremde frau, heute nacht war mir die junge dame durchaus bekannt. wieder einmal ging dort meine muse zu werke. marcella verwandelt sich nicht nur in meinem werk in alle frauen, sondern übernimmt bereits die charakterisierung in den träumen, was kein unbedeutendes indiz ist für eine karmische und kosmische verbindung ist (und wer wollte das leugnen).

eine weitere erinnerung, durch den traum ausgelöst, betrifft ein nicht ganz ungefährliches abenteuer. es war das zweite mal, dass man mich umbringen wollte (das erste mal aufgrund meines ersten buches, das zweite mal wegen einer frau). es gibt ein ganz spezifisches gefühl, eine kraft im menschen, die sehr seltsam und dunkel ist. ich nenne sie in ermangelung eines anderen wortes wolfskreis (was natürlich keine energie beschreibt, aber die für diese energie verantwortliche archaische dunkelheit). diese (energie) kann eine gruppierung von zwei leuten bereits befallen. zwar ist die anlage dazu in jedem lebewesen vorhanden, tritt aber ausschliesslich unter gruppenverhältnissen zu tage. die davon betroffenen ändern dadurch nicht etwa ihr wesen, vielmehr ist es so, dass der weg zu einem sehr verborgenen gefühl frei wird (eine vorher nicht dagewesene grausamkeit, die aus der tiefe empor steigt).
da unten lauert etwas in uns allen, das nicht an unsere tagesvernunft gebunden ist. dort finden wir die ursache der triebe vor – in wirklichkeit findet man sie sehr selten wirklich, selbst wenn man sie sucht. auf die geschichte selbst möchte ich hier nicht eingehen, sie wird teil der handlung sein.

daraus resultierende kombination: es war ein fremder ort, wo wir uns liebten und ein ofen stand dabei. er sprudelte die hitze hervor, die der unsrigen glich und trocknete den schweiss auf unserer haut. wie bei einer mystischen hochzeit, wäre ich gerne gestorben zwischen ihren beinen – einen elementaren tod gestorben. ich kann verstehen, dass es lebensformen gibt, bei denen diesen tod die natur vorschreibt. zu vergehen im augenblick der erfüllung, denn sie kann es kein zweites mal geben, um nicht ihre macht zu verlieren. der mann sucht den tod, wenn er sich einer frau hingibt.

20.56

im nachhinein und während des schreibens dürfen szenen entstehen (das sage ich, nachdem sie bereits entstanden sind, um ihnen mut zu machen, damit sie auch bleiben). es darf überhaupt keine handlung stattfinden, handlung ist grundsätzlich etwas triviales, das man nur sehr spartanisch anwenden darf. alles muss form werden, muss auf stimmung zielen.