März, Neunundzwanzig, Sieben

War es gestern? Das erste Telefonat mit Benjamin Stein, bis auf eine Stunde fehlten nur Sekunden. Ich müßte Worte für sein „Blau“ finden, komme über rudimentäre Sätze jedoch nicht hinaus. Zu viel liegt noch im Argen mit meiner Bibliothek. Wollte am Telefon etwas über Leo Perutz und sein Nachts unter der steinernen Brücke schwadronieren, tappte zum Regal und griff ins Lehre (es gelingt mir, mit einem Buch in der Hand besser über das Objekt, auch den Inhalt zu parlieren); ein Ärgernis sonders – aber ich bin zu erschöpft um einen meiner Marketing-cholerischen Anfälle zu bekommen.
Was ich ihm jedoch sagte, ihm und mir auf Blattpapieren:
Benjamin Stein tut hier etwas, das im ersten Augenblick harmlos aussieht. Er kettet schwimmende Prosa-Inseln aneinander, die so funktionieren wie dieser Zaubertrick: Die Ringe sind unteilbar ineinandergedreht, aber plötzlich und ohne daß man wüßte, wie, sind sie getrennt. Das Ganze läßt sich natürlich auch invertieren.
Innenschau: Ich möchte es betonen – der Innere Monolog, den die literarische Moderne so gerne zu einem nutzlosen Gestammel degradiert, findet hier seine Anwendung ohne jegliche Sprachzerstörung. Wer jemals Filmmusik nicht als Beiwerk des Bildersturms empfunden hat, weiß, wie Steins Sprache klingt…
Jetzt muß ich Fleischkugeln mit einer Muskat-Brandy- Beize einreiben, dazu werde ich mir einige Urquell-Büchsen durch den Verdauungstrakt jagen.

Veröffentlicht von

Michael Perkampus

Michael Perkampus war Moderator der Literatursendung Seitenwind für Radio Stadtfilter in Winterthur. Er ist Autor, Übersetzer und Herausgeber des Phantastikon.