Mai, Neunzehn, Sieben

14.11

Ich habe wenig übrig für Filme, das ist bekannt. Das liegt aber an der Tatsache der noch größeren Vermüllung als es in der Literatur der Fall ist. Es ist wesentlich komplizierter, gutes Filmmaterial zu beschaffen als an gute Literatur heranzukommen.
Das zweite ist, daß ich an sich gar nicht die Zeit dazu habe, mich groß mit Filmschaffen zu beschäftigen, auch wenn die Möglichkeiten der visuellen/akustischen Ebene großartig sind. Vermutlich ist ein nicht gelungenes Projekt als Einzelkunstwerk auch besser zu verschmerzen. Der Film muß eine Masse erreichen, weil dort mit erheblichen Geldern jongliert wird. Darin sehe ich den Grund, warum Television und Hollywoodgekitsche sich die ganze kulturelle Entwicklung einverleibt haben. Sie machen sich die Masse zum Prospekt, eine Entwicklung, die gerade auch in der Literatur mittlerweile von statten geht, weil sie funktioniert. Erfolg ist immer dann vorhanden, wenn man einem großen Klientel nach dem Maul redet.
Zwei Filme, die ich als meisterhaft betrachte sind Lost Highway und Mulholland Drive. Beide Filme sind von David Lynch.
Die Filme gefallen mir nicht etwa, weil sie von David Lynch sind, doch ist es für klar, daß nur David Lynch das kann, was mich als Schriftsteller und Surrealist interessiert.
In Lost Highway taucht diese postmoderne Möbiusband, das bereits John Barth in die Literatur einführte, auf. Dabei handelt es sich um ein dreidimensionales Gebilde, das nur eine Kante und eine Oberfläche besitzt, beim Fehlen einer eigentlichen Mitte – man kann auch sagen, die Mitte dreht sich, um sich am Ende mit dem Anfang zu verbinden.
Die absolute Perfektion jeder einzelnen Einstellung, die den Rahmen des Erzählbaren sprengt, ist in beiden Filmen zu erkennen, wobei man dem Mulholland Drive anmerkt, dass er als Pilot zu einer Serie gedacht war, angereichert mit acht Szenen, die ihn zum Preisfilm werden ließen, nachdem er von der BBC abgelehnt wurde.
Keiner der genannten Filme ist besser als der andere und beide Filme symbolisieren groteskerweise das, was ich auch in der Literatur suche und zb. bei Robert Coover finde. Andersherum: ich kann einen Film nur akzeptieren, wenn er dem entspricht, was für mich Literatur zu sein hat.
„Ich erinnere mich an die Dinge lieber auf meine Weise.“
„Auf welche?“
„Wie ich mich eben an die Dinge erinnere, nicht unbedingt, wie sie passiert sind.“

15.46

Zweites Frühstück mit Pferdewurst, die es in der Schweiz in hervorragender Qualität gibt. Dazu erntefrischer Knoblauch aus Ägypten.
Sicher, es kann keinen erntefrischen Knoblauch aus Ägypten in der Schweiz geben, gemeint ist jedoch das Gegenteil des allgemein bekannten Lagerknoblauchs.
Den qualitativ hochwertigsten Knoblauch gibt es allerdings erst Anfang Juli, er stammt, wer hätte es nicht vermutet, aus Frankreich, es ist der Ail rose de Lautrec.

Veröffentlicht von

Michael Perkampus

Michael Perkampus war Moderator der Literatursendung Seitenwind für Radio Stadtfilter in Winterthur. Er ist Autor, Übersetzer und Herausgeber des Phantastikon.