Mai, Siebenundzwanzig, Sieben

14.58

Wenn es um literatur geht, kann es nur das beste sein. Man schielt nicht einmal nach dem, was in seinem kern keine radikalität versprüht. Deshalb beginne ich die prosa für den podcast mit Leautréamont und dem sechsten gesang des maldoror. Denn obwohl ich auch aus Bretons nadja, Artauds surrealistischen schriften, Millers schwarzer frühling, Nervals aurelia lesen möchte, fällt der beginn nur ihm zu, dem engel des bösen, der 1846 in Montevideo geboren, 1870 in Paris starb.
Die liste der zu bestellenden antiquarischen bücher ist wieder einmal lang geraten und nachdem Buchhandlungen nur noch schund verhökern, gehe ich auch in keine mehr. Freilich leben sie von diesem dreck dann auch und husten kaum, wenn sie sich an ihrer suppe verschlucken.
Als ich im letzen jahr drei monate in Heidelberg arbeitete, wo unter anderem timber entstand, konnte ich jedoch mein staunen kaum verbergen: dort gibt es sehr wohl noch bücher zu erstehen und beinahe täglich lümmelten wir in den antiquariaten herum, schleppten kilo um kilo literatur heraus, sie zu retten, denn gerettet ist sie, wenn sie in den regalen der verständigen steht.
Kilo um kilo literatur! Wie viel schwerer mag der inhalt wiegen!

21.36

Komme mit einer für den sechsten gesang gedachten stunde nicht hin. Werden wohl anderthalb stunden werden. Aber ich kann und will Leautréamont nicht abwürgen.

22.00

In Russland prügeln sie schwule demonstranten und sagen, daß dies eine degeneration sei. In wahrheit ist es doch aber so: wer liebe, in welcher form auch immer, unterdrückt, ist kein mensch und noch nicht einmal auf der stufe eines tieres angelangt.

Veröffentlicht von

Michael Perkampus

Michael Perkampus war Moderator der Literatursendung Seitenwind für Radio Stadtfilter in Winterthur. Er ist Autor, Übersetzer und Herausgeber des Phantastikon.