Juli, Zwanzig, Sieben

Kotelett erinnert den speiser an seine urzeitliche neigung, das fleisch gleich aus dem lebenden tier zu beissen. Sehr umständlich diese situation: mann rennt dem ren hinterher und versucht es mit einem brandeisen vorzugaren, noch im lauf, im schritt… und beisst dann dort hinein.
Das Kotelett macht es uns einfacher, es hält still und hat den „erinnerungsknochen“ zum schneidezahnigem abnagen. Das stimuliert einige tiefen stellen im grosshirn, im primitivhirn, wenn wir wollen, im althirn, klar, im meisterhirn, im sündengrau.
Ich werde wohl deshalb so gerne Kotelett essen, weil ich ein triebliebhaber bin. Nie esse ich es mit besteck, ich nehme es sofort zur hand und arbeite mich wie ein schwachsinniger zum elysium des homo heidelbergensis vor. Lassen sie es sich ruhig zwei cm hacken, machen sie frischen thymian drauf und nehmen sies vom lamm.

17.29

Weiter an der zweiten figur der mitte der unendlichkeit.

Ich sass mit Helmut gemeinsam im Holzwurm, er hatte gerade geöffnet. Bei Helmut musste ich die nächsten wochen verbringen, denn Patty hatte mich nun endgültig hinausgeworfen. Sie stand oben an der tür, ich stand unten am treppenplateu. Sie flennte, weil ich diesmal wirklich ging. Rauswurf war ein verbaler waffengang und der störte mich nicht weiter. Manche male jedoch sind zu viel. Dieses eine mal war es zu viel. Ich rief Helmut an. Der kam. Und Patty flennte. Natürlich hatte sie es nicht so gemeint, aber ich… und ging.

(Patty auch im Acheron als Patty und Amanda, im Hahn auf dem Mist als Patrizia und Patty)

Im Holzwurm bestellten wir eine pizza und dann wurden wir alleine gelassen, waren die einzigen gäste und warteten ein biblisches Zeitalter ab, bis das essen mit züngelnder entschuldigung auf uns kam. Das wäre hinzunehmen gewesen, aber die pizza schmeckte wie etwas sehr sehr schlechtes; kurzum: sie schmeckte wie eine schlechte lauwarme pizza, denn sie war eine schlechte lauwarme pizza.
Zu dieser zeit war es noch nicht so schlimm, als dass ich, wenn mir das essen nicht schmeckte, den teller durch das ganze lokal warf und ausser mir herumbrüllte… und auch heute ist es nicht mehr so. Ich bemerkte lediglich, dass dies eine ungeheuer schlechte pizza sei und ich sie nur in mich hineingewürgt hätte, weil ich aussergewöhnlich knurrenden hunger verspürt habe. Der jetzt weg ist, weil mir schlecht ist.
Statt dass die maid jedoch auf ihre knie nieder sank und echte reue zu protokollieren aufgab, fragte sie spitz, ob ich es denn besser könnte.
Nun war ich freilich empört (bevor ich pychologie studierte, wollte ich eigentlich gourmet werden und besuchte ein jahr lang die hauswirtschaftsklasse – nicht zuletzt wegen einer gewissen umtriebigkeit). Ich sagte ihr, dass es nicht schwer sei, so einen geschmacklosen fladen zu verbessern und sie erwiderte, dass sich dies hervorragend träfe, weil sie nämlich keinen koch hätten. So kam es, dass ich ein zimmer bekam (Das Leben ist nicht immer ein Fest – Acheron, Hahn), geld verdiente und mein bett befleischte.

Bis es jedoch soweit war, kam es zu damals bei uns Bohemiens üblichen, sehr ausschweifenden, orgien, über die ich vermutlich noch zu schreiben habe.

21.52

fangen wir es langsam an. das schreiben wird immer bei mir bleiben, das ist klar. dennoch werde ich meine ambitionen zurückschrauben. dadurch dass wieder einmal grössere umbrüche in meinem leben anstehen, ist noch nicht abzuschätzen, was das heisst.
vor allem bleibe ich eins: der literaturpunk. ich kann dieses graue gesocks nicht ausstehen.

22.32

„Tis old town been home long as I remember
This town gonna be here long after I’m gone.
East side west side take a close look ’round her
You been down but you’re still in my bones.“

– The Michael Stanley Band

Veröffentlicht von

Michael Perkampus

Michael Perkampus war Moderator der Literatursendung Seitenwind für Radio Stadtfilter in Winterthur. Er ist Autor, Übersetzer und Herausgeber des Phantastikon.