Ich habe versucht, jeden Anhaltspunkt der Geschichte und ihrer Geheimnisse nicht zuzulassen. Das sage ich nicht etwa reumütig wie ein Bekenntnis daher, sondern in der Gewissheit, dass es sich als nicht leicht herausstellte, dem kausalen Zusammenhang nicht folgen zu wollen. Es schien zu jeder Phase, als dränge die Erzählung selbst dahin, die Kreise schließen zu wollen, weil sich das menschliche Denken nach Ordnung sehnt. In gar keinem Fall durfte ich nun der Versuchung erliegen, all das Dunkle, das man hier vorfindet, mit einer Leichtigkeit zu klären – alles wäre hier entzaubert. Es eignete sich gut an, recht schnelle Wechsel zu verwirklichen, die eine gewisse Geschwindigkeit nicht verleugnen. Die Märchenelemente verzichten in jeder Phase auf Füllungen, aus der Ewigkeit können wir stets nur kurze und geschwinde Teile vorbeihuschen sehen. Wie oft täuscht sich unser Auge gerade dann, wenn das Licht nicht mehr ausreicht, alles für den Verstand zufriedenstellend zu erhellen. Ich weiß nur zu gut, was man mich nach der Lektüre alles Fragen will, aber es gibt keine Antworten, das will ich eigentlich damit sagen. Die Erzählung erzielt gerade ihre Wirkung durch die vorherrschende Stimmung – und es ist das Tönen und nicht das Geschehen. Letzteres ist immer austauschbar. Man hat eine handvoll Motive und versucht sie, zu einem Stoff werden zu lassen, aber immer unter dem Diktat eines wissenschaftlichen Materialismus, der nicht nur ins Verderben führt, sondern sich tödlich auswirkt auf unser aller Leben. Ein Märchen, so scheint es, wird uns da nicht zu retten vermögen und ich gebe es zu: das nicht; und dennoch bin ich davon überzeugt, dass die Wirkung der Bilder dieser Schrift, für niemanden zu leugnen sein werden. Es wird einen Nachhall geben, gerade weil der Verstand hier nicht gebraucht wird, er wird gebeten, seine Finger aus dem Spiel zu lassen, weil wir – ich als der Autor und Sie als der Leser – wichtiges zu besprechen haben. Geben Sie der Wirkung nur etwas nach, geben Sie zu, dass selbst jetzt, wo wir das Buch als abgeschlossen betrachten können, mehr davon zurückgeblieben ist, als ihrem sich bereits wieder einmischenden Verstand lieb ist. Das liegt nun nicht so sehr an dem, was da steht, sondern an dem, was da alles nicht steht. Dass Sie sich betrogen fühlen, wenn Sie an diese Geschichte mit der ganzen Gewohnheit und Gewöhnlichkeit herangegangen sind, ist nicht im Geringsten anzuzweifeln und Sie müssen es mir nachsehen, wenn dies ganz und gar in meiner Absicht lag. Doch weitergedacht, liegt dieser Betrug darin, dass ihm eine Bereicherung gleichbedeutend zukommt. Vielleicht kannten Sie noch nicht die Wahrheit, dass der Traum das eigentlich Reelle ist, während das Alltagsbewusstsein nur den schnödesten Abklatsch unzureichender Sinne markiert. Vielleicht wissen Sie also auch über sich selbst noch nicht sehr viel. Dann nämlich kann es Ihnen unter keinen Umständen ein Nachteil sein, eine gehöre Portion Verwirrung zu erfahren, als erster Ausdruck echter seherischer Fähigkeiten.
Nun möchte ich aber auch an jene das Wort richten, welchen ein romantischer Geist eigen ist, zu jenen möchte ich sprechen als der moderne Romantiker, dem nichts anderes als der Sinnesrausch vorschwebt, das Staunen allein, dem wir mit der Romantik ebenbürtiger Kraft im Surrealismus wiederbegegnen und das die „Mogelpackung Wissenschaft“, wie es ein Freund* von mir auszudrücken wusste, noch zu keiner Zeit eindämmen konnte. Wir gehen den Dingen nur dann gebührlich auf den Grund, wenn wir sie sie selbst sein lassen, zerschnitten und in ihre Bestandteile zersprengt, werden sie uns den Sinn für das Schöne für alle Zeiten zu nehmen wissen. Doch nur das Wunderbare ist schön und wir forschen nicht, wenn wir es zerlegen, sondern wir zerstören es, ohne allerdings dahinter das gefunden zu haben, wonach wir eigentlich in wilder Suche unsere Finger rühren. Wer allerdings nun schnell bei der Hand ist mit den längst zu Schanden gerittenen Begriffen „Weltflucht“ und „Weltfremdheit“, zeigt doch nur auf, dass er so gar nichts zu verstehen trachtet, um sich dann auch in guter Gesellschaft mit den Germanisten wiederzufinden. Romantik ist der Ausdruck des verwegensten Realismus in Lebensführung und Kunst. Heute kann ein jeder das leicht nachvollziehen, da die postmodernen Philosophien und Literaturkritiken im Kerne nichts anderes begreiflich machen und übernommen haben, was nicht allein bei Friedrich Schlegel oder dem etwas ätherischen Georg Friedrich Phillip Freiherr von Hardenberg bereits gestanden hätte. So kann ich freimütig behaupten: all das, was nicht märchenhaft ist, mag wohl in gewissem Sinne der Literatur angehören, hat aber mit der Poesie nichts gemein. Das Märchen ist das Prinzip und die Form und wird als Kanon der Poesie zur gesetzgebenden Regel einer ganzheitlichen Welterfahrung, die der endlichen und zerstreuten gewöhnlichen Wirklichkeitserfahrung entgegengesetzt ist. Um es aber noch einmal mit Schlegel zu meinen: „Die Form des Märchens ist absolutes Chaos und unendliche Beziehung und Bedeutung.“ Gemeint ist damit aber keineswegs das allein literarisierte Märchenspiel, vielmehr geht es darum, das Zufällige als Notwendigkeit der Seele zu betrachten. In der vorliegenden Geschichte ist das Zufällige das, was ich zu sehen bekam, jegliche Glättung der Geschehnisse und deren schließliche Auflösung entspräche einem Denkmanöver, dem ich mit aller Entschiedenheit gegenüber stehe als ein ewiger Gegner, der seine Angebetete auf weichen Kissen bei Kerzenschein zu lieben trachtet und nicht im grellen Neonlicht eines Supermarktes.
Michael Perkampus, Wattwil, Januar 2008
*Markus A. Hediger