Der Fuß

fussLiebeszauber:
Ein Liebender entwendet dem geliebten Mädchen einen Schuh. Er behält ihn acht Tage, trägt ihn bei sich, vermischt sein Wesen also mit dem ihren (hierzu gehören auch einige Schweinereien, die der Liebende mit dem Schuh anzustellen hat – Humbert Humbert vögelt wenigstens nur das getragene Söckchen der kleinen Lolita) – und gibt es ihr zurück. Wenn das Mädchen den Schuh nun trägt, soll sie spüren, daß sie zu jenem gehört, der ihr den Schuh entwendet hatte.

Perkampus aus: Liebeszauber der Welt (unveröffentlicht)

In vielen meiner Schriften taucht der Fuß als Symbol der Erotik auf. Jener „Tantriker“, der für den Zauberwein im Uhrenträger verantwortlich ist, trägt um den Hals eine Kette, an der wiederum ein Fuß als Anhänger zu erkennen ist. Der Fuß wird hier zum Zeichen einer magischen (tantrischen) Sexualität. Das ist mehr als bloßer Fetisch – wobei der Begriff „Fetisch“ hier keineswegs negativ belegt sein soll – vielmehr aber führt uns der Ursprung des Gedankens in das Zeitalter des Matriarchats, nach Vorderasien. Hier wurde die Frau, ganz richtig und ganz trefflich, als Abbild der fruchtbaren Erde betrachtet, Erde, auf der sie geht. Die geschlechtliche Kraft der Erde befindet sich in den Füßen und wird über die Beine an die Genitalien weitergeleitet. Was hier noch Volksglaube war, kann heute zum Teil biologisch nachvollzogen werden, von einem gewöhnlichen Arzt werden Sie so etwas freilich niemals zu hören bekommen. Eine Frau bekommt die heftigsten Orgasmen, wenn ihr während des Geschlechtsaktes die Fußsohlen massiert werden und mit etwas Übung kann man einen Orgasmus selbst bei einer Fußzonenreflexmassage herbeiführen.
Dionysos wird aus Zeus Oberschenkel heraus geboren, doch was bedeutet das? Der obere Teil des Beins galt den alten Völkern (und ich fasse das hier zusammen, weil sich die Mythen aller Völker aller Zeiten in ihren Kernaussagen immer wiederholen und gleichen) als der Ort, wo sich die fruchtbare Kraft ansammelt. Berührungen im warmen und empfindlichen Innenschenkelbereich können nur zur Wollust führen – oder zur Geburt eines Dionysos, der Verkörperung der Ekstase höchstselbst. Die Kraft jedoch, die von der Erde aus durch die Füße alle bioenergetischen Zentren anreichert, kennt man als Kundalini, mit dem einen Unterschied jedoch, daß die tantrische Kundalini-Energie zunächst im Wurzelchakra, zwischen Arschloch und Geschlechtsorgan, ruht. Die Vorstellung, daß der Fuß wichtig zur Erweckung der Bioenergie ist, existiert in der Theorie des Kundalini-Prozesses nicht, wohl aber im Vamacara (ein Tantra, das religiöse Tabus bricht).
Doch ich schlendere viel zu weit fort; eines jedoch noch zu Asien. Die chinesische Tradition, den 3-7 jährigen Mädchen die Füße abzubinden, hat gezeigt, daß dadurch die Genitalien übermäßig vergrößert werden. Keine Frage, daß es sich hierbei um Folter handelt – aber darauf wollte ich nicht eigentlich hinaus, sondern auf einen Zusammenhang zwischen einer Verkrüppelung der Füße und einem starken Durchbluten des Unterleibs, der sich nicht ausschließlich auf diese chinesische „Schönheits“-Methode beschränkt, sondern sich auch bei anderen Unfällen im Fußbereich abspielt.
Der Fuß also als Symbol der Fruchtbarkeit und insbesondere der Ernte. Das zu Garben gebundene Getreide wurde nicht zu allen Zeiten ausgedroschen, sondern ausgetreten. Diese stampfenden Bewegungen hatten nun den Effekt eines Aphrodisiakums für die Bauernmädchen, was wiederum dem Erntefest zugute kam, denn es kann davon ausgegangen werden, daß zu dieser Zeit mehr gevögelt wurde als sonst im Jahr. Um das in eine andere Form zu bringen, ist es leicht mit einem Tanz zu vergleichen, der barfuß auf der Erde aufgeführt wird. Es würde mich wunder nehmen, wenn eine gesunde Frau davon nicht wie selbstverständlich erregt würde und jene, die mir hier zuhören, dürfen das gerne einmal ausprobieren. Das Laufen über eine Wiese zu einem geeigneten Platz ersetzt dabei bereits eine Reflexzonenstimulation.

Vogelbeeren und Novalis' Großonkel

Die Spuren der Romantiker zogen sich, wenn man aufmerksam war, wie ein roter Faden konstant durch mein Leben. Am offensichtlichsten war meine eigene Geburt im Fichtelgebirge, das Land das Ludwig Tieck während einer Wanderung so besang:

Mondbeglänzte Zaubernacht,die den Sinn gefangen hält,wunderbare Märchenweltsteig’ auf in der alten Pracht.

Die Geschichte, die jedoch zu weben ist, und die ich bereits für das Buch nach der Mitte der Unendlichkeit skizziere, ist jene des Cornelius Schlehenfeuer. Angesiedelt sein wird sie zu jener Zeit, da der Großonkel Friedrich von Hardenbergs (der sich Novalis nannte) den Hauptflügel des Schlosses Kaiserhammer abreißen ließ. Im übriggebliebenen “Küchenflügel” lebten noch meine Urgroßeltern, und dort spielte ich bereits mit heute unbezahlbarem Holzspielzeug. Zum ersten mal thematisiert habe ich das Schloss in Seelen am Ufer des Acheron, im Kapitel des Gänsehüters.

*Schloss Kaiserhammer, der Küchentrakt, rechts ab hinter der Brücke der Schulweg, wo ich aufwuchs.
*Schloss Kaiserhammer, der Küchentrakt, rechts ab hinter der Brücke der Schulweg, wo ich aufwuchs.

Dieser Landstrich, in Oberfranken gelegen, eignet sich wie kein zweiter für eine Romantisierung, nicht nur allein wegen der fränkischen Wälder. Morphologisch gliedert sich das Fichtelgebirge in einen aus mehreren Gebirgszügen zusammengesetzten, hufeisenförmig gelagerten Gebirgsstock. Neben dem Schwarzwald ist das Fichtelgebirge wohl die romantische Urlandschaft schlechthin. Dafür sprechen (abgesehen vom Wald und der Form des Hufeisens) die Bedeutung der Eberesche, die unter anderem auch als Vogelbeere bekannt ist und die hier zu einem Kräuterschnaps vergoren wird, sowie der Ursprung der vier Quellen Eger, Saale, Main, Naab, die in alle vier Himmelsrichtungen hinausfliessen und das Fichtelgebirge zum Nabel der europäischen Hauptwasserscheide machen. Diese verläuft von Südwesten nach Nordosten, von Spanien kommend bis hin zu den weiten Ebenen Osteuropas. Der eine Erdteil sendet dabei seine Flüsse ins Mittelmeer mit Schwarzem Meer, die andere Hälfte in den Atlantischen Ozean mit Nord- und Ostsee.

Mit der Eberesche hat es noch eine weitere Bewandnis, da sie meinem Sternbild entspricht. Und unter diesem “Vogelbeerbaum” beginnt der Cornelius Schlehenfeuer mit einem Pistolenduell.