Juni, Dreiundzwanzig, Neun

Flyer_eroff_bese_netAm Samstag, den 27. Juni (und von da an regelmäßig) wird man mich in Unterstammheim antreffen. Irgendwann im September habe ich dort dann eine Open-Air-Lesung. Wer immer sich gerade in der Schweiz aufhalten mag, sollte sich den Ort merken. Nicht nur ist die Küche über alle Maßen vorzüglich, das Umland ist nicht weniger als magisch. Für mich sind die Assoziationen, die ich hier erfahre, ritueller Natur. Sie führten nicht zuletzt dazu, dass ich in die wilden Jahre von Hardheim eintauchen konnte, um den “Flamboyant” zu skizzieren.

In den Zeiten des großen Wandels trifft man die verschleierten Geheimnisträger. Sie – eine abgesandte der Göttin – kam gestern endlich in die WG spaziert, nachdem ich sie bereits viermal vergeblich eingeladen hatte. Da stand ich, eine Maske im Gesicht, auf dem Balkon, und zog mit meinen Blicken über das Land, als sie – wie immer wie der blanke Zufall – des Weges schritt. “Ich überlege mir, was ich dir diesmal erzählen könnte”, rief sie nach oben, anspielend auf mein permanentes Harren ihrer Präsenz. Diesmal ließ ich sie nicht entkommen und holte sie herein, indem ich nach unten stürzte und kein Vertagen gelten ließ. Es traf sich gut, dass in der WG gerade gekocht wurde, weil sie vergisst, regelmäßig zu essen. Sie arbeitet sich angestrengt durch das Gewebe der Welt, aber es gelingt ihr viel leichter als jeden anderen Menschen, den ich kenne, das Leben in seiner Ganzheit zu erfassen. Das Wunder schreckt zurück vor der Eindeutigkeit, und so auch sie. Die Lebensmaxime Heinz von Försters: “Handle stets so, dass sich die Möglichkeiten vervielfachen”, erkannte ich in ihrem Satz: “Eine Antwort ist nur dann gut, wenn sie viele weitere Fragen aufwirft” wieder. Sie, die Philosophin, ich, der Dichter. Zwischen uns das rasende Antlitz der Göttin, vor der sie, im wahrsten Sinne des Wortes, große Ehrfurcht hat. Ich, der sie sucht (und ich glaube, sie hält mich deshalb für verrückt).
Ihre massive Präsenz, die dennoch beweglich und luftig wie ein Vogel zum davonfliegen neigt, und mein heiliges Versprechen, jeden neuen Tag mit der Nacht zu beginnen.

Betrachter deiner Schönheit

Der Betrachter deiner Schönheit
Ich stehe außerhalb davor und blicke
In eine Galerie deiner Bewegungen, Mimiken
Gesten. Ich
Entscheide, wer ich sein werde, wenn
Ich die Augen schließe, um dich
Auch in mir zu erschaffen
Und ich entscheide mich immer dafür
Derjenige zu sein, der dir gehört.