>
Diane, im Alter von fünf Jahren begann ich damit, Kaffee zu trinken. Zunächst nur Sonntags, denn an anderen Tagen hatte niemand Zeit, mich zu kontrollieren. Ich hatte ja kein Mass eingebaut, und sollte es nie eingebaut bekommen. Meine Pferdestärken preschen seitdem ungedrosselt über den Freeway.
Kaffee ist nicht nur ein Peak an Genuss sondern auch der Gesundheit sehr förderlich. Ein anderes Ritual – ein tägliches Bad nämlich – kann nun mit dem Kaffeegenuss zur Deckung gebracht werden, indem man mindestens zehn Flaschen Sekt ins Wasser giesst. Das aber ist auch mir nicht täglich vergönnt. Man wird feststellen, dass der Sekt wieder richtig losperlt, wenn man eine Brausetablette – ich bevorzuge Lavendel – ins Wasser gibt. Im Übrigen nehme ich auch meinen Kuchen hin und wieder in der so präparierten Tube ein. Kühlt das Gemenge langsam ab, soll die Zigarre entfacht werden. Der Kaffee ist leer, der Kuchen schwelt im Magen … das Ganze ist nun mit Chopins Nocturnen zu ertragen, die allerdings aus einem anderen Raum heranschallen müssen, sehr laut, versteht sich. Um die Nocturnen nicht vor der Zeit zu hören, sondern wirklich erst zur Zigarre, empfielt sich ein Timer, den man auf etwa zehn Minuten einstellt. Während also alles glimmt und schallt, wird das Notizbuch “Bad” gereicht (manchmal muss ich es mir auch eigenhändig parat legen). Ich kann nun skizzieren, was ich dann später am Schreibtisch, über die Maschine gebeugt, weiter auskundschafte.
11.04
Gestern sprach ich mit Leolina über die Unmöglichkeit, meine übersetzten Texte jemals in der Zielsprache zu lesen. Ich werde nie wirklich wissen, was aus ihnen geworden ist. Ich glaube, die Verblüffung, die man selbst spürt, wenn sich der Text auf die Welt drängt, ist nicht minder der, wenn man ihn in einer anderen Sprache weiss. Ich habe darüber nachgedacht, wie nahe Markus meinen Schaffensprozessen kommt, wenn er mich übersetzt. Vor Lesern bin ich stets relativ sicher, da erwarte ich nicht eigentlich viel. Ich bin darauf nicht vorbereitet, dass jemand entdecken könnte, was ich da treibe. Markus aber las von jeher meine Arbeiten ungewohnt anders, schon als von Übersetzung nicht die Rede war. Natürlich hat das etwas mit der Mentalität zu tun. Einerseits benutze ich zB. die deutsche Sprache in ihren tiefsten und ergiebigsten Konstellationen, ich wühle in den dunkelsten Gebieten – dort, wohin mir niemand folgen kann. Andererseits schreibe ich mich damit auch aus der Zeit heraus, es gibt nichts, was mich an der hiesigen Literatur interessiert. Ich will damit sagen: ich schreibe in einer Sprache, zu deren Benutzern ich nicht gehöre – und ich gehörte zu Benutzern, die nicht meine Sprache sprechen. Das Wort “Benutzer” ist unglücklich gewählt – wer wirklich spricht, benutzt die Sprache nicht. Sie ist nichts anderes als der Geist, der sich zeigt.
17.19
Diane, es scheint eine Mode zu sein, die rudimentärsten Basics der Kommunikation verkrüppeln zu lassen. Im letzten halben Jahr ist mir das verstärkt aufgefallen. Da ist es selbstverständlich eins, überhaupt nicht zu antworten. Das ist eine natürliche Ignoranz, durch die man seine Blesse schützen möchte, so als würde man in einer Sprache angesprochen, in der man nicht genausogut antworten kann, obwohl man das vorgibt, also hält man sein Maul. Etwas ganz anderes ist es, auf ein Gespräch einzugehen, sagen wir: Interesse zu heucheln, und zu sagen: “Darüber sprechen wir noch”, oder “Da bekommen Sie demnächst bescheid”. Im Einzelfall ist auch das völlig belanglos. In einer geballten Version aber, die nahezu überall in Erfahrung gebracht werden kann, ist es schlicht ekelhaft. Mit der Inkompetenz von Verlagen und ihren Mitarbeitern fing das einmal an. Das war zu einer Zeit, als ich noch davon ausging, zumindest den ein- oder anderen mit ausgeprägten Kommunikationswerkzeugen dort zu finden. Es gibt Verlage, die mir aufgrund ihres Programmes näher stehen als andere, aber ich fand bisher keinen einzigen Menschen, der nicht völlig überfordert mit Kleinigkeiten wäre, oder seine Arbeit zumindest dahingehend verstünde, eine Ansage zu machen, und sich auch daran zu halten. Einen aber nehme ich aus: Hartmut Abendschein. Was er sagt, tut er, was er tut, vertritt er. Da gibt es keine hin- und hergeseuche. Natürlich gibt es Verlagsmitarbeiter, die ich nicht kenne, die sind ebenfalls ausgenommen. Am Schlimmsten ist es mit Zeitschriften oder Plattformen, die sich angeblich – und nach aussen offensichtlich – mit diesem und jenem beschäftigen, aber nicht die geringste Ahnung von jenem Sektor haben, mit dem sie da herumalbern. Es gibt interessanterweise nicht eine einzige Plattform, die sich mit Hörspielen oder Hörbüchern auseinandersetzt, die über ihr Metier bescheid wüsste. Aber ich schweife ab, hier geht es nicht um Kompetenzen, hier geht es um Grundlagen. Tatsächlich ekeln mich die meisten Menschen an.