>Es ist an der Zeit, so überlegte ich mir, für ein Panorama meiner unterschiedlichen Prosa-Stile, die ich mir im Laufe der Jahrzehnte erarbeitet habe. Sinnvoller wäre es, heute nur noch von Texten zu sprechen, denn der Begriff des “Erzählens”, der “Prosa”, des “Romans”, der “Lyrik” ist problematischer denn je. Man kann mit diesen Gattungsbezeichnungen nicht mehr hausieren gehen, sie haben schlicht keine Bedeutung mehr. Trotzdem entscheide ich mich gegen den Text, weil er zu wenig über einen künstlerischen Anspruch aussagt. Oft sprechen die Dichter von Bildern, Partituren, sprechen viel über Rhythmus und Klangfarbe, zeigen damit also mehr oder weniger, dass ihnen das Literarische viel zu eng erscheint. Sie drücken damit aus, zu transzendieren, ohne aber wirklich etwas anderes zu erschaffen als Text, so wie Musik ja ebenfalls nur aus Klängen besteht. Wie man ein Muster webt – das ist Theorie. Man braucht nichts von der Theorie zu verstehen, um ein Musikstück zu genießen. Wenn also viele experimentelle Schriftsteller sich von Theorien abhängig machen, schaffen sie fehlerhaft, denn es genügt dann die Theorie und vielleicht ein Beispiel, um die ganze Dichtung zu ende gebracht zu haben. Die wirkliche Dichtung will aber die Unendlichkeit. Es ist auch nicht richtig, von “einfangen” zu sprechen, denn auch hier wäre etwas zu ende gebracht. Dass ein Moment empfunden werden soll – das wäre hier das richtige Los. Dieser Moment aber gestaltet sich immer wieder neu, der scheinbar gleiche Text löst scheinbar immer andere Empfindungen aus. Jetzt sind wir dem nahe, was die Dichtung meiner Meinung nach will. Und, richtig: die Dichtung will, nicht der Dichter.
“Hundertprosa” – das ist die Möglichkeit eines Panoptikums, eines Kaleidoskops, ein funkelndes Kaskadenspiel. Die Zahl 100 ist dabei nicht zufällig gewählt. Einerseits sagt sie in diesem Fall: “Hier sind 100 Prosastücke (oder Texte)”. Als Hundertprosa aber sagt sie: “Hier ist ein Ganzes bestehend aus 100 Teilen”. Das ist natürlich etwas völlig anderes. Mathematisch (wie auch numerologisch) lässt sich, wie unter einem Brennglas, die Zahl 1 herausfiltern. Das ist die Symbolik: 1 Hundertprosa.