>Ist der Groschen erst gefallen

>Es kommt nicht von ungefähr, dass Markus A. Hediger und Michael E. Perkampus um etwa die selbe Zeit (wenn auch nicht zur selben Stunde) ein Projekt begannen, das sich mit dem Groschenroman-Plotting beschäftigt. Aus europäischer Sicht ist der Groschenroman ein ähnliches Phänomen wie in Amerika die
Short-Story; beide Gattungen sind aus einer Art Notstand hervorgekrochen. Die Short-Story gehört heute zur Weltliteratur und zur wohl anspruchsvollsten Textart neben dem Gedicht. Nur die Besten schrieben sie und nur die Besten schreiben sie. Verlagsökonomisch gesehen ist sie neben dem Roman allerdings nicht mehr en vogue, dieses Schicksal teilt sie mit dem Gedicht. Der Roman hingegen, der sich heute zwar überlebt hat, aber dennoch einen regelrechten Höhenflug hinlegte, stammt (nachdem man den Roman der Romantik völlig falsch interpretiert hat) aus dem gleichen Muff wie die Groschenhefte. Um das Jahr 1913 herum wiederholte sich in diesem (auch Löschblatt-Sektor genannten) Milieu das Phänomen, das im Grunde aus der Romantik abgeleitet werden kann. Man las sich förmlich die Haare vom Kopf. Dieser Lese-Wahnsinn ist heute kaum mehr zu verstehen. Interessant dürften unterschiedliche Studien sein, die diesen “Schund-und Schmutz” begleiten, denn die Leserschaft dieser Heftromane ist demnach so different wie die Gesamtgesellschaft selbst, allerdings führen die Abiturienten. Spuk- und Gruselromane gar werden hauptsächlich von Leuten mit Hochschulreife gelesen.

Im Grunde kann man die Die Gasse der sprechenden Häuser und Little Creek weder dem Heftroman noch dem Groschenroman zuordnen. Es muss aber gesagt werden, dass ein Gespräch zwischen Hediger und Perkampus zu dem führte, was man vielleicht als Blogroman identifizieren kann. Der kostet nicht nur wenig, der kostet gar nichts. Aber das wichtigste: er hat auf nichts Rücksicht zu nehmen und macht einfach nur Spass.

12 Gedanken zu „>Ist der Groschen erst gefallen“

  1. >mein problem dabei ist, dass der drang, das formelhafte des groschenromans zu durchbrechen, schon sehr früh durchzudrücken beginnt. ich versuche, den charakter des groschenromans nun in der art des erzählens (einfach, eindeutig und zweideutig nur da, wo die zweideutigkeit auch im groschenroman gepflegt wird) aufrechtzuerhalten.
    aber ganz klar: das spiel mit dem groschenroman birgt entdeckungspotential.

  2. >Ich glaube indes, wir sind lausige Groschenromanciers … darin sind nämlich nicht nur die Frauen "atemberaubende Schönheiten", sondern auch die Jeans, die sie tragen sind "atemberaubend". Vampire lächeln und Werwölfe höhnen. Aber auch im Krimi dies:
    Trotz zwei gebrochener Beine gelang es Jack auf das Dach eines Autobusses zu springen.
    Das ist ganz gross! :)

  3. >haha, ja:
    ich komme zum schluss, dass das geheimnis des groschenromans hierin besteht:
    dem wirklichen wirklichkeit zu nehmen:
    das wirkliche wird extrem reduziert, bis eben dinge möglich werden, die im leben unmöglich wären. oder anders ausgedrückt:
    die poetik des taschenwörterbuches.

  4. >Da müssen wir aber aufpassen mit den "Möglichkeiten" im "wirklichen Leben". Ich zum Beispiel bin davon überzeugt, dass es Menschen gibt, die sich spielend in Tiere verwandeln können. Ich habe auch schon Katzen durch die Wand gehen sehen … und ich war eigentlich nicht betrunken … damals … als ich noch Drogen nahm :)

  5. >Das ist richtig und ich rede hier aber auch von einem anderen "wirklichen Leben": im Groschenroman wird das möglich, was die meisten Menschen die Verwirklichung ihrer Lebensträume nennen (Hand aufs Herz: Auch ich wünschte mir manchmal ein Leben wie ein Groschenroman). Die Wirklichkeit, von der du sprichst, ist die von der Gesellschaft negierte, totgeschwiegene. Das ist die Wirklichkeit eines Borges und eines Cortázars.

  6. >Es ist die Überzeugung, die nur die Erfahrung bringen kann. Ein intellektuelles Spiel … wie es die SF-Literatur häufig und auch sehr virtuos praktiziert, bleibt ein Gedankenkonstrukt, das wir nicht kennen können, solange es nur, sagen wir, ein mathematisches Vergnügen bereitet. Als ich mich mit dem magischen Realismus und dem Surrealismus intensiv beschäftigte, stellte ich für mich fest, dass nur dort, wo die westliche Philosophie noch nicht die Macht ergriffen hatte auch in der Gesellschaft das Phantastische Element nicht nur Vorhanden, sondern notwendig als Lebenswirklichkeit existiert.

  7. >Ich staune immer wieder darüber, wie Sprache (hier die Philosophie, die ja NUR in der Sprache betrieben wird) die Macht besitzt, Wirklichkeit (oder wahrgenommene Wirklichkeit) zu konstruieren. Ich finde das ganz erstaunlich. Weil wir etwas so und so sagen, nehmen wir dieses so und so wahr.

  8. >Eigentlich hast du mich darauf gebracht, dass da ein Zusammenhang besteht. Und seien wir ehrlich: mein teuflisches Prinzip ist ohne diesen kulturellen Hintergrund nicht denkbar.

  9. >Haha, ja, das stimmt. Der Teufel ist nur deshalb so mächtig, weil auch er nur Sprache ist.

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