Peter Straub (Jazz-Stilist modernen Horrors 1)

Von Stefan Dziemianowicz auf http://www.horroraward.org/index.html
Übersetzt von Michael Perkampus

Peter Straub

Peter Straub ist ein Jazz-Stilst modernen Horrors. Wie jene Musiker, denen er regelmäßig in seinen Geschichten Referenz erweist, arbeitet er mit tiefverwurzelten Traditionen, mit denen er respektvoll umgeht. Ebenfalls wie diese Musiker arbeitet er unermüdlich daran, die Grenzen dieser Traditionen zu erweitern, indem er sie in bis dahin unbekanntes Gebiet triebt. Er ist in Bezug auf die Horror-Standarts höchst sachkundig und seine Prosa strotzt vor genialen Variationen der klassichen Themen.
Dabei ist er ein unermüdlich phantasievoller Künstler, der die scheinbar unvereinbaren Elemente von ursprünglichen Qellen mit höchst persönlichen Schöpfungen zusammenbringt, und ein vielseitiger Improvisator, der sich wiederkehrenden Mustern nie zweimals auf die gleiche Weise nähert.

Peter Straub ist wohl einer der literarischsten der gegenwärtigen Horror-Autoren, mit Einflüssen, die von D.H. Lawrence über Vladimir Nabokov zu John Ashbery reichen. Er schrieb zwei Gedichtbände, bevor er sich an seinen ersten Roman setzte (Marriages; dt. “Die fremde Frau”). Das war 1973. Wie auch sein zweiter Roman (Under Venus; dt. “Das geheimnisvolle Mädchen”), der nicht vor 1984 veröffentlicht wurde, ist das eine Geschichte, die ihre Zeit widerspiegelt. Die Figuren befinden sich in der Hand ihrer emotionalen und spirituellen Krisen, die sich in einem realistischen Setting des post-60er Jahre-Millieus abspielen. Besonders in Erinnerung bleibt an ‘Marriages’ ein Zwischenspiel des möglichen Übernatürlichen, das die überwältigenden Probleme der Hauptfigur herausarbeitet. In vielen seiner Arbeiten, die folgen sollten, zeigt Straub , daß unerklärliche Ereignisse ein effektives Werkzeug sind, um intenvive Gefühle auszudrücken.

Mit seinem nächsten Roman, Julia (1975) brachte Straub sein literarisches Talent in Bezug auf die Schauerliteratur zum tragen. Diese kannte er bestens von so kanonischen Schriftstellern wie Poe, Hawthorne, Henry James und anderen. Julia ist dennoch eine moderne Erzählung, der Roman zeigt eine Verpflichtung gegenüber klassischer Einflüsse durch einen zurückhaltenden und subtilen Ansatz, mit dem das Thema behandelt wird. Julia ist eine ‘Geistergeschichte’, aber durch die geschickte Handhabung der Erzählung, hält Straub den Leser bis zum letzten Augenblick darüber im Ungewissen, ob der Spuk echt ist oder nur die Ausgeburt des Geistes eines verzweifelten und überreizten Protagonisten.
Ganz ähnlich geht Straub in seinem nächsten Roman (If You Could See Me Now; dt. “Wenn du wüßtest”, 1977) zuwerke. Ein wankelmütiger Erzähler hinterläßt Zweifel daran, ob die erzählte Geschichte nicht vielleicht doch nur das Hirngespinst einer doppelzüngigen, möglicherweise  gestörten Phantasie ist.

Straubs erste Romane erhielten verhaltenen, kritischen Beifall, wurden allerdings in einer Zeit veröffentlicht, als die Horror-Literatur – oder ‘Okkult-Literatur’, wie zu dieser Zeit das Etikett hieß – einen zwielichtigen Ruf als Schund besaß und kaum beworben oder besprochen wurde.
Straub hat darin den Vorteil für sich genutzt, künstlerisch frei arbeiten zu können, in einer Nische, die kaum kritisch hinterfragt wurde.
Sein nächstes Roman, (Ghost Story, 1979) wurde ein Erfolg bei Kritikern und Publikum und ein einflußreicher Meilenstein des modernen Horrors, der eine Menge Aufmerksamkeit auf die Möglichkeiten einer gut erzählten Horrorgeschichte lenkte.
Ambitionierter als alles, was er zu diesem Zeitpunkt geschrieben hatte, ist der Roman mit einer ganzen Symphonie zu vergleichen, die aus den Kammerstücken seines bisherigen Schaffens hervorging. Straub hat verschiedene Aspekte des Romans – das kaleidoskopische Erzählen aus mehreren Blickwinkeln und der kühne Einsatz expliziter Schrecken – dem Einfluß Stephen Kings zugeschrieben, dessen Arbeit er zu dieser Zeit kennenlernte. In ihm erkannte er eine verwandte Seele. Aber Ghost Story ist vielmehr der Höhepunkt von themen und Ansätzen, die Straub bereits in seinen Schriften entwickelt hatte, allen voran die Äußerung potenzieller selbstzerstörerischer Zweifel, Ängtse und Unsicherheiten, die Furcht der alltäglichen Charaktere des Romans vor einem rücksichtslosen ‘Monster’, das ihnen ihre Schwächen aufzeigt und die ihrer nächsten Angehörigen. Dieses ‘Monster’, bedient sich vieler Gestalten, insbesondere taucht es als femme fatale Alma Mobley auf, eines der erschreckendesten Manifestationen des Bösen in der modernen Literatur. Sie stellt die ‘Geister’ der Geschichte dar, wenngleich man anmerken muß, daß die meisten Schrecken des Übernatürlichen in Ermangelung einer Kategorisierung ‘Gester’ genannt werden. Tatsächlich ist Alma Mobley ein archetypisches Ur-Monster, dessen gestaltwandlerische Fähigkeiten den Mythos von Werwölfen, Vampiren und anderen ikonischen Monstern ansteigen ließ. Unmenschlich bösartig, besitzt sie keinen eigenen Namen, nur eben jene ihrer zahlreichen Inkarnationen.

Teil 2

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