Dein Körper ist Gericht in seiner Abwesenheit
Das leichte Gewand eines quälenden Schattens umzürnt meine Haut, als ich das Badewasser verlasse, um halbiert im Zwielicht zu schaukeln, die Grenzfälle beim Rauschen störe, den Fluß aus Hautschuppen, Talg und Fußeln dem Fortschnellen anheimgebe. Ungeahnt die Nähe nichtanwesender Personen, unverstanden vom Tageslicht, geblendet vom Reflex bonbonfarbener Quellgeister; Symbole, konturlose Skulpturen, einer Firnis der Berührungslosigkeit entlaufen.
Technicolor der anderen Welt. Ein großes Gemälde unterworfener Momente, ein geiferndes Trugbild. Beschlagen von Zweifeln walten die Sinne darin. Duktus der Augen, die dieses Bild entstehen lassen. Die Nacht mit ihrem Schlund, am Mark sonnenverbrannter Gedanken saugend, durch Tagpartikel aufgeladen.
An der Wand befinden sich Blutspuren, ein zufälliges Gemälde, streng in Ocker lasiert. Den Hintergrund stellt ein dreckiges Weiß, ein Hügel, deine Scham. Ich befuhr dich mit einer motorisierten Zunge. Ein Niemandsland bist du, in meiner Vision ein Landstrich eklektischer Provinzen. Doch du bist nicht da. DA sein bedeutet mehr als die Phantasterei zwischen Halbschlaf und Kontrollprogramm. Kalter Schaum schwemmt dein Bildnis (die Kähne, das Papier Bazooka-Joe) in den Ausguß, durchdrungen vom Abfall meines Gesichts. Die Zunge liegt wie ein Rebus in meinem Mund, wie ein angekettetes Tier am Gaumen, Sprache nicht möglich.
Diese Zunge steckte schon überall in dir, gut aufgehoben, warm umschlossen. Dein Körper ist Gestalt, dein Körper ist Gericht in seiner Abwesenheit. Die Klänge deiner Vergangenheit vibrieren im Spalt unserer Lagerstatt, meiner Lagerstatt, deiner Lagerstatt. Ich spreche mit dem Schaum, den du mir hinterlassen hast, spreche die Worte, ohne sie zu berühren. Jetzt sage ich sie wie unter dem Zwang, zu erbrechen. Ich sibiliere sie. Ich spreche und ich sage nichts dabei, sage nicht: Ich liebe; nicht, daß ich dich liebe, nicht, daß ich dich lieben könnte, sage nicht, daß ich mir wünsche, dich zu lieben, nicht, daß ich dich gern geliebt hätte. Ich sage deshalb nichts, spüre deinen Schaum aus nächster Nähe in die unbekannte Schlucht hinabtropfen. Ein zusammengefalteter Himmel liegt vor dem Fenster, ein Himmel voller Reklame für einen beginnenden Tag.
Die Erdachse hält auch heute dieser irrsinnigen Geschwindigkeit stand. Du lächelst. Zumindest deute ich, du würdest lächeln, wenn du jetzt hier wärst. Wir benutzen das gleiche Herz, sind das Ganze, sind nicht du, nicht ich. Ich hänge über dem Weltenrand, baumle an meinen langen Tagen, den Nächten im Sumpf, erkenne mich wieder in den nackten Träumen, den geschnitzten Masken zwischen der Sonne und mir, durch hölzerner Augen Licht, durch hölzerner Nasen Staub. Meine Leidenschaft ein Fluch der Götter. Wo frevelte ich sie, Göttin, dich?
Herausfallend sich wieder finden auf den Straßen, die nicht darüber entscheiden, wo ich ankommen werde, die dennoch den Enthusiasmus wecken, in die Ferne zu ziehen, und sei es nur, um dort gewesen zu sein, um sich fremd gefühlt zu haben. Dem Horizont entgegen schlängeln. Die Straße selbst kommt nie an. Ich bin es, der Einzug hält. Aber wo? An welchem Ort?
Es sind nur Agglomerationen. Die Wege halten stets eine Stadt bereit, die wie ein Organismus funktionieren. Ihre Gesetzmäßigkeiten unterliegen dem Chaos.
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