Bereits vor circa fünf Jahren versuchte mich ein Freund für die Büchergilde Gutenberg zu werben. “Du kaufst sowieso mehr als ein Buch pro Quartal. Mit einer Mitgliedschaft erhälst Du dazu exklusiv Bücher in bibliophiler Ausstattung, viele Klassiker werden neu aufgelegt, illustriert etc. pp.”
Ich war zunächst skeptisch, denn viele der mir präsentierten Bücher fand ich nicht besonders ansprechend. Den Ausschlag für meine Mitgliedschaft gab dann aber die Tatsache, dass Tod im Paradies von Alberto Dines über die letzte Lebenszeit Stefan Zweigs in Brasilien quasi nur noch über die Gilde zu beziehen war. Nun aber über zwei Jahre und etliche Büchergilde-Bücher später habe ich meine Mitgliedschaft, hauptsächlich aus zwei Gründen, überdacht.
Keine eigene Verlegertätigkeit
Die Büchergilde wurde 1924 gegründet, um preislich niederschwellig den Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Oskar Maria Graf, Jack London und Mark Twain wurden verlegt und sollten, die Gründung erfolgte gewerkschaftsnah, dem gemeinen Arbeiter der Weimarer Republik zugänglich werden. Exklusiv hielt man den Kontakt zu dem Phantom B. Traven und brachte seine Bücher, auch nach der Bücherverbrennung, heraus. Im dritten Reich gleichgeschaltet und der Gründer Bruno Dreßler verhaftet, siedelte man in die Schweiz über, bewahrte sich so die Unabhängigkeit, um nach dem zweiten Weltkrieg mit Erich Kästner, Arnold und Stefan Zweig nach Deutschland zurückzukehren. Auf Anregung der Büchergilde schrieb Golo Mann seine Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, in der 60er Jahren gratulierte Erich Kästner zum 40. Geburtstag, zum 50. Geburtstag kam Günter Grass und so ging es immer weiter: Eine Erfolgsgeschichte deutscher Buchkultur.
Das Hauptaugenmerk liegt bei der Büchergilde seit jeher auf der besonderen Gestaltung von Büchern, dazu so gleich. Doch den Mitgliedern soll auch ein Zugang zu besonderen Büchern eröffnet werden. Dazu trägt die Unabhängigkeit bei, die dadurch entsteht, dass man Lizenzen bei anderen Publikumsverlagen im deutschsprachigen Raum nach Gusto erwerben kann und aufgrund der breiten Basis von gesicherten Käufen mit einem gewissen Mindestumsatz rechnen kann, denn jedes Mitglied muss pro Quartal ein Buch des Programms kaufen. Die Büchergilde ist mit anderen Worten so etwas wie ein Buchclub mit besonderer Ausrichtung.
Doch beim Durchsehen der Programme der Zeit meiner Mitgliedschaft musste ich immer wieder feststellen, dass mir das Angebot schlicht zu mainstreamig ist. Natürlich finde ich viele Bücher wieder die aktuell im Gespräch sind oder die ich bereits gelesen habe: Karen Köhler, immer die aktuellen Murakamis, Kastelau von Lewinsky, Kruso und Der Distelfink, Glavinic, Kehlmann, Boyle, Seethaler. Alles Bücher, die sich mehr oder weniger im aktuellen Diskurs befinden, alles Bücher, die im Feuilleton besprochen wurden, dazwischen immer wieder ein paar “Geheimtipps” der großen Zeitungen, die nicht zum Bestseller wurden: Chinua Achebe, Jonas Lüscher, Chimamanda Ngozi Adichie und die Lizenzen von Neuübersetzungen des Hanser Verlages oder von Manesse. Aber keine eigenen Entdeckungen, eigene originäre verlegerische Tätigkeit, exklusive Neuauflage verschollener Schätze.
Für die Abbildung der aktuellen Literaturlandschaft, brauche ich keinen Zusammenschluss mit Kaufzwang. Mir fehlt der verlegerische Mut, warum nicht den Mitgliedern mit Verve einen verschollenen, vergessenen oder nie entdeckten Titel anpreisen. Mein Bild der Gildemembers lässt durchaus die Vermutung zu, dass hier, zwischen all den Studienräten, begeisterte Literaturliebhaber (was den Studienrat nicht ausschließt) sind, die das abgebildete Programm bereits gelesen haben, aber offen sind für Neuentdeckungen. Wenn ich die Spitzentitel von Hanser, Suhrkamp, Rowohlt und KiWi entdecken möchte, muss ich selbst als Otto Normalleser nur die Augen offen halten. Um auf das Buch des Deutschen Buchpreisträgers zu stoßen, brauche ich die Büchergilde nicht, sondern ein Blick selbst in das örtliche Käseblatt genügt.
Dagegen sind doch die Möglichkeiten Abseitigeres zu präsentieren bei keinem herkömmlichen Verlag so gut wie hier. Auf der Basis der Mitglieder hat man in einem gewissen Rahmen die Möglichkeit ungewöhnliche Titel zu verlegen. Ich kann mir sogar vorstellen, dass ein Kruso, der notgedrungen erst mit einiger Verzögerung nach der Preisverleihung erscheinen kann, nicht mal zu den Verkaufsschlagern im Programm gehört, schlicht weil jeder interessierte Leser das Buch schon gelesen oder zumindest gekauft, ansonsten schlicht kein Interesse daran hat. Die aufgewendete Energie und Finanzkraft hätte für ein anderes Werk sinnvoller verwandt werden können.
Die Möglichkeit die vergriffene Biographie über Stefan Zweigs Zeit in Brasilien zu erwerben, blieb daher nach meinem Beitritt das einzige Argument für die Mitgliedschaft.
[Ich wurde von mehreren Seiten auf die Existenz der Edition Büchergilde hingewiesen. Dort wird tatsächlich eigene verlegerische Arbeit betrieben, die sich zum großen Teil allerdings meiner folgenden Kritik entziehen kann:]
Absurd hässliche Bücher
Nimmt man also das Argument des Programms aus, bleibt das auf der Homepage selbst propagierte:
Kein anderer Verlag hat so konsequent wie die Büchergilde die Kunst rund um das Buch gepflegt. Seit der Gründung der Büchergilde im Jahr 1924 gibt es illustrierte Bücher im Programm. Aber auch der Einband, der Schutzumschlag und die Typographie wird für unsere Bücher besonders gestaltet.
Starten wir erneut mit Stefan Zweig in das Programm. Die Büchergilde bietet eine illustrierte Ausgabe der Schachnovelle an. Über das karikatureske Porträt des Autors kann ich milde hinwegsehen, die dargestellte Schachszene ist aber schon zu viel für mich: Grobschlächtige Figuren, die Zeichnung ohne jeden Esprit, jemandem der Menschen so wie den Betrachter und den Barkeeper zeichnet, würde ich eventuell meine Wohnzimmer streichen lassen, von meinen Büchern würde ich ihn fernhalten. Der nächste Klassiker, an Kästners Fabian hat sich Frank Witzel als Illustrator versucht, bereits das Cover ist derart abstoßend, dass man Abstand von einem Kauf nehmen muss. Aus leeren Augen wird der Leser angeglotzt, der Masochist kauft sich natürlich die Vorzugsausgabe. Für 128 € gibt es nämlich ein handkoloriertes Unikat dazu, hiermit darf man sich nach der Lektüre weiter gruseln.
Auch Kleist konnte sich nicht mehr wehren als drei seiner Novellen von Johannes Grützke, Anke Feuchtenberger und Martin Grobecker jeweils unabhängig, dafür in jeweils ganz eigener Hässlichkeit, vergewaltigt wurden. Thomas M. Müller hat wie auch den Der große Schlaf von Chandler, San Miguel von T.C.Boyle illustriert; schaut euch das Vorsatzpapier an und es bedarf keiner weiteren Worte! Fast schon gnädig kann ich unter diesen Umständen lächeln wie die Madame Bovary-Ausgabe der Büchergilde zu der des Hanser Verlages abfällt.
Aberwitzig hässlich, eine Beleidigung meiner Augen und jedes Dreijährigen, der mal einen Kopffüßler gemalt hat, dagegen wieder die Ausgabe von Raymond Carvers Beginners, wenn jetzt nicht einer um die Ecke kommt, der mir erklärt, dass der blinde Bruder des Autors dieses Cover mit dem linken Fuß gemalt hat, kann ich nicht anders als diese Darstellung für einen Witz zu halten. Dieses Buch ist so ungefähr das unansehnlichste, unästhetischste, unattraktivste, unschönste Exemplar seiner Gattung, welches mir je unter die Augen gekommen ist. (Von der Unart das Leinen des Einbands zu bedrucken ganz abgesehen, die die Büchergilde zur Perfektion beherrscht.)
Wo nimmt die Gilde so viele Leute her, die derart schlecht auf Mittelstufenniveau herumkünstlern? Aufwendige Ausstattung in Form von Leinen, Papier, Heftung und Lesebändchen verpuffen, wenn das Buch derart abstoßend illustriert und gestaltet ist.
Die einzige Ausnahmen die ich in meiner Zeit bei der Büchergilde von diesen Beispielen machen kann, sind die Ausgaben von Murakami (nur noch eine erhältlich), die mich zwar nicht ansprechen, aber im Vergleich mit dem Obengenannten noch halbwegs vertretbar erscheinen. In diese versöhnliche Kategorie passt noch die Ausgabe von Die letzten schönen Tage von Helmut Krauser. Ein zwar gänzlich unaufregendes, nichtssagendes Bild auf dem Einband, dafür hat das Buch ein handliches Format (auch das bei diesem Verlag keine Selbstverständlichkeit!), einfaches, aber schönes Leinen ohne Schnickschnack, feines Papier und ein Lesebändchen. So könnte es gehen.
Kein Spaß
Das Phänomen ohne Wünsche eine Buchhandlung zu betreten und mit einem Arm voller Neuerwerbungen wieder zu verlassen, kennt der Besucher einer Büchergilden-Buchhandlung nicht. Voller Sorge muss man zum Ende des Quartals überlegen für welches Scheusal von Buch man sein Geld ausgeben kann. Nicht mal die Konzentration auf den, glücklicherweise von den Ausführenden der Gilde nicht angetasteten, Inhalt kann mich über die ästhetischen Qualen hinwegtrösten, die mir diese Bücher bereiten.
Ich brauche wohl nicht extra betonen, dass ich inzwischen aus der Büchergilde ausgetreten bin?!