Wo ich wohne
(A05 zu E10)
Viceversa, lieber Benedikt, sind wir Suchende und Dichtende gleichermassen. Ist unser Suchen Dichten und unsere Bewegung durchs Material eine poetische. Leben wir so in Halbtagsstellen und Stellungen. Darum bin ich Dichterin geworden und Du Rechercheur. Bin ich Sucherin geworden, denn Du hast von mir gelesen, vor langer Zeit schon. Ein Nebenprodukt, nur. Etwas Ungeschliffenes, noch in Schlacken Befangenes. Ab- und Beifall eines anderen. Nichts, was überzubewerten wäre, es lag am Rande einer staubigen Strasse. Beinahe löst es sich auf, heisst es: es verschwindet. Bei Deinem Zugriff: in sich. Taucht wieder auf in Dir. Stirbt wieder. Ich habe es genossen, Dich zu treffen. Dass wir uns treffen konnten, auch wenn Du nur Teile von mir zu Gesicht bekommen hast. Mein Malheur. Ich kann nicht immer gleichzeitig an einem Ort sein. Wie Du. Das musst Du entschuldigen und akzeptieren. Vielleicht. Vielleicht wirst Du das nachvollziehen können, wenn es Dir ebenso ergangen ist. Wenn Du Dich umfänglich darauf eingelassen hast. Wenn Du bist und es Dich gibt. Meine Seitenleiste. Navigierbar und mit einem Impressum, das keine Fragen offen lässt.
Ich möchte Dir meinen Glückwunsch aussprechen. Was Du über den Weltspiegel gedacht hast, war ein bemerkenswertes Gebilde. Deine Idee um die Gemachtheit des Grossenganzen … nicht neu, aber in dieser Form: Deine Form. Eine bewundernswerte Leistung. Bist und bleibst auf dem richtigen Weg, sage ich Dir noch einmal. Gehen wir weiter diese Richtung. Bedenken wir: Die Gleichzeitigkeiten. Die Ungleichzeitigkeiten und ihre Abstimmungen. Du kannst mich an vielen Stellen ergänzen.
Bevor ich es vergesse: Du hast versucht Dir vorzustellen, wie es bei mir aussieht. Wie und wo ich lebe. Und ich war bis heute um eine Antwort verlegen. Habe Dich vertröstet, nicht weil ich mich darüber schämte, über den einfachen Ort, oder die Lächerlichkeit seines Namens, seiner Adresse. Der Grund meiner Verweigerung darüber Auskunft zu geben, war, dass egal, was sich darüber sagen liesse, egal wie ich diese Gegend zu beschreiben versuchte, es nicht und niemals übereingekommen wäre, mit dem, was da ist. Im Grunde war es meine Furcht, die Möglichkeit eines Dachs oder einer Wand zu einem Dach oder einer Wand zu erklären. Eine Nasszelle zu behaupten, wo das Wasser aus den Fugen geriet. Einen Gang zu beschwören, der sich selbst im Fluss befand. Hier fehlen die Worte, wo kein Auge ist. Aber ich will Dir versprechen: Du wirst mich einmal besuchen und Dir ein Bild machen. Ich schenke es Dir schon heute, wenn Du willst. Und: Denke ich das Zuhause, friert mich ein wenig, und die Heizkörper biegen sich, die Röhre, der kleine Kamin und das Öfchen. Bald brauche ich wieder Holz und Kohle. Für den Herbst oder die kalten Tage des Jahres. Hilfst Du mir Holz und Reisig sammeln. Scheitespalten, wenn es Zeit ist?
Deine A.