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Herr Nögerlis zentrale Existenz hängt an einer Schlagwortkette. Um genau zu sein: zwischen zweien ihrer Glieder. Kommt diese Kette in Bewegung, permutiert sie sich ein wenig im Wind der Zeit, geschehen seltsame Dinge. Galle schmiert an den Gelenken, tropft zu Boden und veräzt die umliegende Landschaft aus Wörtern. Sie kann den Wörtern aber nichts anhaben. Diese sind aus Salmiak und bleiben geschmeidig.

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im traum musste er den raum verlassen. er atme so laut, das kind wache auf. sagte sie das im traum? verliess er im traum den raum? kam er wieder zurück? ging er wieder hinaus? atmete das kind noch? die frau? er? im traum. ist er jetzt im traum? träumt er gerade jetzt? das wäre gut, dann lebte er noch.

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In der anderen Welt kam man zu dem Beschluss, dass eine herkömmliche Reproduktion der Körper, also über die bekannten Wege des Geschlechtsverkehrs, der künstlichen Befruchtung, der In-Vitro-Fertilisation, der Aufzucht in Brutkästen eine inhumane Form des Wiedergangs und der Fortsetzung sei. Längst wurde daran gearbeitet, diese Leiber ohne Zuhilfenahme eines tatsächlichen, künstlichen oder auch nur symbolischen Uterus herzustellen und diesen zu einer ästhetischen Akzeptanz in der Bevölkerung zu verhelfen. Man dachte also ernstlich darüber nach, die alten und verbrauchten Körper zu verjüngen und so den Vorgang der Geburt überflüssig zu machen. Die Körper sollten in ihrer Materialität also nicht mehr einem Verfallsvektor untergeordnet sein, sondern dieser Vektor gespiegelt und immer wieder gespiegelt werden und an den Enden des Anfangs und des Endes, eine ewig modulierbare Masse enthalten; so würde man, wie man hoffte, dem Trauma jener Menschheitsgeschichte ein Ende bereiten.

Bereits sei man daran, verendete Körperteile kunstvoll zu schrumpfen und neu zu kombinieren. Bereits könnten Harmonien zwischen den Kombinationen hergestellt werden. Man arbeite nun an der dünnen Hülle, den Äusserlichkeiten, der Erscheinungsform …

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Den Traum eines anderen zuende geträumt. Umgeträumt. Lag in jenem Traum noch die Asche der Geliebten auf einem Totenbett, wie es Brauch war, befand ich mich zuletzt in einer Bibliothek: Geliebte Blätter fielen leise aus den Regalen. Ihre Form: Rücken, Deckel und Bindung hatten sich aufgelöst. Die Blätter fielen leise nacheinander aufeinander auf den lehmigen Boden, zogen Feuchtigkeit, wurden weniger und am Ende blieb ihr schriftliches Durcheinander, ein Palimpsest ohne Medium auf der kalten Fläche zurück.

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Die Räume spielten ein Spiel mit mir. Sie nannten es Hase und Igel. Ging ich in den Keller, war dort schon das Dach. Die Wände hatten sich geschwind zur Schräge gerichtet und der kalte Beton sich in trockene Planken gelegt, vermutete ich. Stieg ich unters Dach, schlug mir auf dem Weg schon der modrige Geruch des Kellers entgegen. Tatsächlich kullerten mir schon Splitter und Schotter entgegen, noch bevor ich die eiserne Türe öffnen konnte. Im Treppenhaus, wie ich dann bemerkte, das Raunen der Stufen: Ick bin all hier. Ick bin all hier.