Hinter den Gardinen bewegt sich etwas müde auf und ab. Wenn ich du wäre, stände ich dahinter, und schaute auf mein fassungsloses Starren: von der frisch gereinigten Strasse auf den Vorhang. Du wärst ich und müsstest meine Hörner tragen und in diesem Moment den Mund zum Atmen öffnen. Unsere Hände griffen zu einem Taschentuch in unserem Mantel. Auf einer Ablage links neben dem Schreibtisch. Und wir schnäuzten kräftig und bliesen die Verstockung aus den Kanälen unserer Stirn. Wir schauten auf das Tuch, leicht angewidert, und legten und steckten es zurück, um es zu trocknen. Diese Geste bewegte etwas Luft und diese den Vorhang hinter dem Fenster.
Kategorie: die träume meiner frau
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Dann ist da dieses kleine Aufsatzthema: Über die oft unterschätzte Notwendigkeit des kleinen Kissens. Man sucht Beispiele: Man reisst die Fensterläden auf, morgens in der Winterfrühe, und herein kommt nichts als blaue Dunkelheit. Ein Kissen für diesen Tag, denkt man, ein kleines nur. Eines, das man vor die Augen drücken kann; in dem sich Rotz, Tränen und die abgelegten Bilder der vergangenen Nacht geborgen fühlen. Aus besonders saugfähigem Stoff muss es gemacht sein. Und rund oder quadratisch. Am besten mit einer roten Giraffe darauf und die Ränder gehäkelt. Am besten, man setzt es in Anführungszeichen. Dann ertönt ein Gong. Eine mindere Terz. Dann gibt man ab.
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Dabei lese sie nur Anthologien. Die Texte von verschiedenen Autorinnen und Autoren und gerne zu einem Thema. Monothematische Sammlungen von Schriftstücken ihr völlig unbekannter Menschen. Natürlich lese sie diese im Schlaf, sonst fände sie ja keine Zeit dazu. Sie will ehrlich sein. Sie lese nicht die Texte der Autoren, sondern lediglich die biographischen Angaben. Und sie wisse auch, dass diese von Herausgebern behandelt, ja teilweise umgeschrieben und entsprechend angepasst wurden. Das störe sie überhaupt nicht.
Im Gegenteil: es seien ja auch nicht die Autorenbiographien, die interessierten, sondern das, was daraus gemacht wurde. Und ja, sie kenne die Herausgeber. Sie übernachte bei ihnen, bisweilen.
Die Träume meiner Frau (Materialien zur Manuskriptbearbeitung I)
Titel: Die Träume meiner Frau
Untertitel: 100 Stoffe
von: Hartmut Abendschein
Erste Überlegung: Einteilung/Verzeichnung des Materials in
Bearbeitungsstufen:
1 = i.O.
2 = schwach überarbeiten
3 = stark überarbeiten / streichen
Maximalwortzahl: 100?
Klassifikation:
a = Traumstoff
b = Traumtheoretisches (Über das Träumen)
c = absurde Bilder
d = Verschiebungen
e = anderes
Zuordnung zu Schlafphasen (ext. Mat.):
frei interpretiert, soll diese Abteilung Indikator für die Hypostasendichte (zunehmend I-V) werden.
a-Wellen (8-13 Hz) tauchen nicht mehr kontinuierlich auf, sondern erscheinen zunehmend gruppiert, welches den Übergang vom Wachen zum Schlafen anzeigt.
II. Einschlafstadium
Im Einschlafstadium lassen sich niedrigamplitudige flache b-Wellen-Aktivität (über 13 Hz) und Theta-Wellen (4-7 Hz) beobachten. Gegen Ende dieser Phase zeigen sich Vertexzacken, die 170-180 msec. andauern und eine Amplitude von 100 mV aufweisen. Die Vertexzacken stellen psychophysiologisch den Einschlafmoment dar.
III. Leichter Schlaf
In dieser Phase lassen sich niedrigamplitudige Wellen von 12-17 Hz sowie K-Komplexe und Spindelgruppen (11-15 Hz) nachweisen.
IV. Mitteltiefer Schlaf
In dieser Phase konnten noch gelegentlich Spindeln mit unregelmäßig auftauchenden hohen Wellen von 0,5-3 Hz und 300 mV (Delta-Wellen) aufgefunden werden.
V. Tiefschlafstadium
In diesem Stadium läßt sich eine langsame Delta-Aktivität von 0,5-4 Hz nachweisen. In dieser Phase sind fast ausschließlich Delta-Wellen zu beobachten. quelle
Choreographie (Anordnung):
1. Kleines Vorwort zu Herausgeberfiktion, Materialklassifikation
2. Die Texte, alternierend (mit inhaltl. Anschlüssen) oder
in Blöcken, nach:
– Schlafphasen
– Personalformen
– Traumformen (klass.)
3. Schlüssel (Register?)
(vielleicht hieraus eine (dreistellige) Signatur (als jew. Texttitel?) generieren, sodass bei alternierender Darstellung die anderen Bezugssysteme sichtbar werden …)
(…)
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Das Gartencenter ist eine andere Welt. Schon am Eingang hinter gleitenden Glastüren schlägt uns dichter, schwüler Dschungel entgegen. Ein Señor erklärt uns die Rosen und seine Liebe zu Pflanzen. Und Bäume und Sträucher, von kleinen Quellen umflossen, Schlangen darauf mit fünfsieben Wirbeln und unendlichen Schwänzen; sie tragen Früchte: lydiae narratae. Der Duft runzliger Zieräpfel aus Kakanien und anderen, schon lange abgebrannten Regionen und ein paar unbestimmte Feinstaubpartikel in humider Luft. Wie in der Sauna, sagen wir, und mit grosser Salust: Hier ist alles, das Universum, Pommes Frites und auch Erquickung an einem lieblichen Hain.
Dann wandern wir weiter. Ein Staudamm befindet sich gleich in der Nähe des Ausgangs. Dorthin zieht es uns mit nur ein paar kleinen Förmchen im Gepäck. An der Kasse klickt und piept etwas. Der Kassierer zieht unsere Karte ein.