Im Mittelalter hat man sich nicht schlafen gelegt. Phasenweise. Angst und Respekt vor dem Liegen als Körperposition des Todes, oder: die Assoziationen und Erwartungen dieser Stellung zu einem Geschehen letalen Zusammenhangs waren einfach zu gross. Man ist stehen geblieben oder hat sich, später wenigstens, auf einer Art Fauteuil in Schräglage gebracht, um dann ein wenig zu dösen, belehrt er mich. Ich schweige dazu, rolle mich von ihm ab und öffne die Fensterläden. Ich drapiere mich quer über mein Sofa und entzünde ein Streichholz.
Kategorie: die träume meiner frau
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Meine biometrischen Daten? Immer der Reihe nach: hier haben sie zwei Augen, ein halbes und ein ganzes, einen vorlauten Mund, eine schiefe Nase und ein Paar Ohren mit etwas Käse darin. Gerade hat man mir die Haare geschnitten, das dürfte eine langweilige Zahlenkolonne irritieren. Hinterm Komma. Und mich abzulichten war kein leichtes Unternehmen. Unschöne Dinge sind passiert: das Blitzen und Donnern, danach ein warmer Westwind in Photocolor bis in die Ecken. Dort wird ein Abzug bis zur Entsprechungslosigkeit beschnitten. Abgerundet, sagt man. Nur das Spiegelbild schaffen sie nicht, und auch nicht das Gegenüber der Welt. Man könnte sie also genauso gut erwürfeln: die Zahlen, die sie suchen.
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Der Thermalbadrassist ist auch ein Düsenbesetzer. Recht und Ordnung hören jenseits seines Körpers auf, wie man sieht, wenn der Dunst sich legt, denn da beginnt der einer jungen Afrikanerin, und die Frage: wie diese angeschlichen wurde, und: wo seine Finger sind, unter Wasser, im Sog leicht geschwefelter Strudel. Unter der Bademütze blitzt eine Glatze hervor und die blickgewordene Missgunst sucht sich an den Kacheln entlang ein kleines Japanerkindchen, das nicht einmal weint. Das frisst er gierig kopfabwärts, vor den Augen der Eltern.
Thermalbadrassismus ist kein Kavaliersdelikt. Fremde, dunkle Körper werden bis zur Käuflichkeit bestarrt und angenähert, doch die Grenzen ziehen weiter gen Osten.
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Weil seine Produktion ins Stocken gerät, das heisst: weil seine Frau ihn nicht mehr beliefern kann, wie sie sagt, bucht er ihr zwei Nächte in einem blauen Atriumhotel mit dem schönen Namen Blume. Hier würde sie sicherlich von den wunderlichsten Träumen heimgesucht werden und er möchte schon jetzt von Innenhöfen mit Eisenbalustraden, alten quietschenden Aufzügen und Nymphensittichen in den Korridoren schwärmen.
Als sie wieder von ihrem Wochenendausflug zurückkehrt, erzählt sie ihm von versalzenen Zinkwannen, abgewetzten Chaise longues und den Nächten, in denen sie kein Auge zugetan hätte. Sie müsse sich nicht entschuldigen, sagt er, wenn ihr doch wenigstens die Reise gut getan habe. Daraufhin präsentiert sie ihm die Rechnung und er erwacht schweissgebadet und setzt sich an sein Pult.
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Drei grössere Hautflächen habe ich dir über Nacht abgelöst und draussen zum Trocknen aufgehängt, als du so tief schliefst. Du hast mir nie die Bilder darauf erklärt und dich immer geweigert, sie als etwas anderes als Tätowierungen zu bezeichnen, die sich ansammelten auf deinem Weg zum Kaspischen Meer. Ich vermutete noch, dass es Erzählungen sind, nun kann ich dir nicht mehr glauben, seitdem ich die eine zu lesen begann.
Da waren auch Teile aus Bildern dieser Geschichte. Schlaf weiter, ich bemale nun deinen Fuss.