Simon, Christoph: einen kleinverleger

einen kleinverleger

zu wählen aus dem haufen der kleinverleger

ist wie seine hand in einen korb voll

schlangen stecken mit glück trifft der

dichter vielleicht auf eine ungiftige aber

alle sind sie schlangen man weiss dass gott

nichts böses tun kann es lässt sich also leicht erraten

woher der kleinverleger kommt wer überhaupt

verlegern traut traut dieben es ist gesund seinen

verleger von zeit zu zeit anzuschreien: wenn der

dichter nicht weiss warum der verleger weiss es

jeder dichter sollte mindestens vier verleger haben

einen grossverleger der ihm bücher gebiert eine

verlegerin zur unterhaltung einen mittelgrossverleger

für literaturkommissionsbezüge und einen

kleinverleger der den anderen dreien zur

warnung verprügelt wird (das gesetz erlaubt

einem dichter verleger zu schlagen wenn er

in der guten absicht handelt sie zu bessern)



(c) Christoph Simon. Dieser Text erschien auch in “das heft das seinen langen namen ändern wollte” (Nr. 15, 10/2008). Christoph Simon (*1972), lebt in Bern. Im Bilgerverlag sind von ihm erschienen: “Franz oder Warum Antilopen nebeneinander laufen”, “Luna Llena”, “Planet Obrist” sowie “Spaziergänger Zbinden”.  Weitere Veröffentlichungen: Das Kinderbuch “Häsin Mels und Hase Fitz” (Kyrene) und der Gedichtband “Ein pony in nachbars park, ein rennpferd in meinem” (Edition baes).

Links / Mehr:

http://de.wikipedia.org/wiki/Christoph_Simon

Bilgerverlag

DOI: 10.17436/etk.c.010

Lichtenstein, Swantje: Gespräch zwischen einer Tür und dem Raum

Die umgebenden Wände weiß kacheln sie den Ton

unter den windfrohen Winkeln, auf Zuruf im Austausch

den Durchzug am Dielenbrett entlang geschlichen,

fußgleich krallen sie sich in den kalten Boden,

korrespondieren mit den Tapeten und der Lampe

im Raum über die Bahn, über die Fenster weit hinaus.

An der Anlegestelle sitzen die indifferenten Konsonanten,

den Zahllaut unter Verschluss, sacken sie die Stimme ein,

unverbraucht überdauern sie das Schweigen, den Kehllaut.



(c) Swantje Lichtenstein. Aus: “Landen” (2009). Swantje Lichtenstein wurde 1970 in Tübingen geboren, studierte Germanistik, Philosophie und Soziologie und wurde an der Universität zu Köln mit einer Arbeit über neuere Lyrik promoviert. Sie arbeitete als Lektorin, Radio-Produzentin und seit 2007 als Professorin für Literatur an der FH Düsseldorf. Sie erhielt Preise, Auszeichnungen und Stipendien: 2007 von der Kunststiftung Baden-Württemberg, zuletzt ein Aufenthaltsstipendium des Bertolt-Brecht-Hauses, Svendborg / Dänemark. Bisher erschien, neben Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien wie »lauter niemand«, »poet[mag]«, »47 und 11«, »Versnetze«, »Lyrik von Jetzt« der Gedichtband »figurenflecken oder: blinde verschickung« (2006).

Links / Mehr:

http://de.wikipedia.org/wiki/Swantje_Lichtenstein

http://www.poetenladen.de/swantje-lichtenstein.html

Lafleur, Stan: Die Ballade von Heidi als erwachsener Frau

seine Heiligkeit, der Rhein, massiv auf Drogen

scheint rein in die gesteinigte Botanik, kennt

da garnix, rast talab mit voll verbotner Wucht

bleibe bei uns, Herr, denn es will Abend, wer

Tag für Tag verdunkelt, s wird bös, richtig bös

Zapfenschlag. & s Wimmern von Gequältem

unterm Teppich, fühlt sich schutzlos an & weich

mit Haut aus Tannenrinde & Milch stapfen die

Männer, kennen ihre Arbeit, kennen die Angst

von ihren Großmüttern, ewig im Eis strudelnden

Seelen, verflucht, verhärmt, befirnt & von

der Kanzel herab bejagt zu jeder elften Messe

welcher Touristendepp ist zu solcher Unzeit

noch schaut er fasziniert aufs Leuchtdisplay

seines GPS, weiß er nicht daß im Gestrüpp

& aus dem Radio schallt ihr Lied, sitzt sie am

Tisch, zwei Flaschen Wein, moderne Frau

Hände & Füße leidlich vertauscht, am Denken

wie irre, die Logik verrauscht, sich allmählich

auflösend in ihrem wunderbaren Kleid, das Lied

verebbt, im Kopf beginnen die Schmerzen am

Hausaltar zündet sich die Schwarze Madonna

in Ruhe ne gekräuterte Kippe an, bevor sie

gütig ihr allerstrafendstes Gesicht aufsetzt



(c) Stan Lafleur. Geboren 1968 in Karlsruhe. Lebt in Köln als freier Autor, Journalist, Regisseur, Spoken Word-Performer. Zuvor diverse Studien, Reisen und Erwerbstätigkeiten. Zahlreiche literarische Veröffentlichungen (Lyrik, Prosa, Hörspiel) in Print, auf Audio- und Videodatenträgern, in Radio, TV und Internet. Hunderte Live-Auftritte. Ausgewählte Gedichte wurden für Zeitungen, Zeitschriften, Anthologien und Festivals ins Arabische, Englische, Französische, Italienische, Kroatische, Persische, Polnische, Rumänische, Russische und Spanische übersetzt. Erhielt für sein Schaffen verschiedene regionale, nationale und internationale Auszeichnungen.

Links:

http://www.stanlafleur.de/

http://rheinsein.de/

DOI: 10.17436/etk.c.011