why we cut up and don’t fix the mess we left

1 möchten wir ergänzen: bevorzugen wir copypaste dem copyandpaste, weil uns das paste schon im moment des copy erfolgt. schon vor dem ansatz (vor seinem gedanken, vorgedanklich) ist sein bizarrer schnitt ein uns gewählter. und gleichzeitig: seine fügung. machen wir schroffe schnitte. harte cluster, die dann von uns bewegt, bald versetzt werden. auch darum entstehen uns texte mit ecken und kanten. (auf die man naserümpfend zeigen könnte). allerdings hat das vorteile. (wie wir belegen). zusätzliche and-stationen, nämlich; zwischenspeicherungen, reflexionen also (die doppelten, nämlich), die ihre gegenstände mit gefühlen malträtieren, werden von uns so bewusst übergangen. wozu auch soll dieser fort=schritt notwendig sein? eben dieser soll, nein, muss ja vom leser geleistet werden. (wir schuften hier doch nicht alleine). und: eben dieser schritt (zuviel) rückt uns den text ins warenhafte. ins ornamentale. in eine ökonomische form des zweckhaften. beziehungsweise: geschieht exakt in diesem moment ein betrug an der sache. der sache seiner eigenen ursprünglichkeit. (wäre man freudvoller, spräche man vielleicht verschämt von einem es des textes. des text=es: des rabiaten, widerständigen, renitenten, das zwar von seiner nächsten instanz zurechtgemacht werden soll, aber – um seiner wurzel willen, nicht in ein allzu allgemeines aufgelöst werden muss, um es verhandelbar zu machen). wir zerschneiden die dinge also auch um ihrer form willen. wir veräussern diese aber nur bis zu einem gewissen grad. wir selbst ziehen die grenze.

1 wenn uns ein schriftsteller erklärt: „der Autor macht Copy-and-paste mit den Gefühls- und Wissensbestandteilen, die überall verfügbar sind.“ (vt2/08,8)

Der grobe Ton

(Notiz) Unfug? Für wen soll man sein in der Hörisch/Müller-Debatte. Will man sich denn positionieren. (Auch wenn die Position die Suchende ist). Und wie stünde es in dieser Begegnung? 3:2? Wenn man die Klein-Fürsprache einrechnete. Oder 2:2 nach Hieben? Und nun nach Abschluss der Angelegenheit und am Ende der Wahrheit? Der Beigabe Müllers und die Umlenkung ins Konstruktive: 2:3? (Sie ist natürlich nur nach aussen abgeschlossen.) Es ist uns doch so (fern), als spielte der FC Bayern gegen Borussia Dortmund. Am Ende ist man froh um viele Tore und Aktionen im Strafraum. Das Ergebnis ist insofern nur wichtig, denn es betrifft Lektüren. In diesem Falle die Erinnerung an:

Thomas Steinfeld: Der grobe Ton. Frankfurt am Main : Hain, 19911

Es ist banal und darum schön. Denn alles, was es hierzu zu sagen gibt, wurde schon dort skizziert. Und in Ewigkeit, wie nachgewiesen wurde …

“Wer meint, die Wahrheit zu vertreten, schliesst seinen Gegner nicht vom Gespräch aus, sondern will ihn überzeugen. Keiner ist je um ein Stückchen gebracht worden, bloss weil ein anderer es gepachtet hatte. Sie ist kein knappes Gut. Bourdieu hat daher etwas anderes im Sinn, als er tatsächlich schreibt: Weniger um Wahrheit ringen Professoren, als um den autorisierten Anspruch auf Wahrheit. Erst darum kann man sich tatsächlich streiten, weil mit dem Anspruch, eine Wahrheit zu besitzen, nicht Sätze miteinander in Konflikt geraten, sondern potentielle Wahrheitsträger – Konkurrenten auf dem akademischen Markt nämlich, die für sich werben und daher mit den Mitteln der Glaubwürdigkeit arbeiten müssen. Allein auf dieser Grundlage lässt sich “die Wahrheit” pachten und der Gegner vereinnahmen.”

Vielleicht muss man darum bilanzieren: Alle drei Ergebnisse sind also wahr und richtig, denn aus der Sicht der Ordnung gehört ihr Gegenteil stets aufgeräumt. Aus Sicht der Reglemente dagegen zählen auswärts geschossene Tore immer doppelt und daheim ist auf dem Platz. Bitte beachten Sie hierzu auch die bald anstehende Publikation von Fritz Michel: 4:2.

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1Warum also Hörisch bei Steinfeld anklopfte, bleibt unklar. Mit der Kenntnis dieses Essays hätte er sich eine Abfuhr erspart. Der zwölfte Mann ist und bleibt Geschichte. Und die muss man kennen.

So könnte es gewesen sein.

Ein paar Gedanken zur Hildesheimerpraxis in den Zeiten von Google und Metangetüm.

Christian Kracht und Ingo Niermann haben ein lustiges Buch geschrieben („Metan“, Rogner & Bernhard, 2007). Ausgelegt wird eine Verschwörungstheorie um ein für den Klimawandel verantwortliches Gaswesen, das dereinst die Erde übernehmen könnte und sich jetzt schon nachhaltig in den Weltenlauf eingemischt hat.

Nacherzählt werden – ausgehend von einer Kilimanjarobesteigung bzw. Atmungs- und Stoffwechselpraktiken in hoher Luft – Ereignisse der Weltgeschichte der letzten 100 Jahre und noch weiter zurück, die sich auf die letzten 40 Jahre verdichten, mir also meine Jugend und Adoleszenz vor Augen führen. In allerdings völlig alternativer Form.

Rekonstruiert wird, wie Franz-Josef-Strauss und Kennedy, die Geheimdienste und Militärbehörden der Erde, kurzum alles, was sich akronymisch in die Geschichtsbücher verfasste, um einen breit angelegten Masterplan einer chemischen Verbindung lagert, der so noch nicht gedacht wurde.

Hier werden Dinge behauptet, die sich in journalistischer Prosa ebenso eingängig lesen, wie sie auch wahrscheinlich scheinen, wenn man sich nicht allzu sehr ins Details wirklich wahrer Wahrheit vernarrt hat.

Brüche finden natürlich dann immer statt, wenn Ereignisse vom Leser definitiv falsifiziert werden können, wie z.B. Atomtests in der Schweiz und ihren strategischen Hintergründen. Was aber, wenn es sie tatsächlich gab? Was aber, wenn auch das Unwahrscheinlichste einen harten Kern besitzt?

Die dort versammelte Faktenprosa liest sich wie ein, allerdings originelles, Googlerecherchegetüm, das manchmal das Verbindliche, meist aber ein Unverbindliches zur Sprache bringt, dem man aber am Ende gerne Wahrheit attestiert, da der Ansatz So könnte es gewesen sein schlüssig durchgespielt wurde. Ob nun Kracht und Niermann tatsächlich jemals den Kilimanjaro auch nur aus der Ferne gesehen haben: Wen kümmerts? Und was der Bildanhang plus umfangreiches Register beweisen und erschliessen mögen: Wen interessierts? Es ist im ganzen ein schönes Fabulierpflänzchen entstanden. Ein Pilz, wenn Sie so wollen.

Kartongeschichte

Selbstverständlich mag ich die Prosa Helmut Kraussers. Selbstverständlich werde ich bei einem Text mit dem Titel „Kartongeschichte“ (marebuch, 2007) hellhörig. Beides zusammengenommen zwingt meinen Lektüreplan zur Flexibilität und ich wittere eine Schachtel. Bis S. 25 wurde allerdings noch nichts in diesem Dienste entdeckt. (Von den Quadraten abgesehen. Auf dem Cover. Auf dem Titelblatt. Als Gefässe der Kapitelnummern – was Grund genug wäre.) Und auch kein Meer oder sonstiges Gewässer. Schwimme ich weiter.

um genau zu sein

Einer der es nicht sehen kann, fragt mich: “Hast du zwei Hände?” So würde ich mich nicht durch hinschauen davon vergewissern. Ja ich weiss nicht, warum ich meinen Augen trauen sollte, wenn ich überhaupt daran zweifelte. Ja warum soll ich nicht meine Augen damit prüfen dass ich schaue ob ich beide Hände sehe? Wittgenstein1

gerade weil wir uns nicht sicher sind, nehmen wir die verdächtige gestalt über den spiegel wahr. um genau zu sein: nehmen wir sie auf mit einer kleinen kamera – wer würde uns sonst später glauben? um noch genauer zu sein: über zwei spiegel, um damit auch noch unsere hinterköpfe ins bild zu rücken.

nachdem der typ* sich seit mehr als fünf minuten nicht bewegt hat, genauer gesagt: nicht der hauch einer bewegung zu sehen war, und wir haben aus drei metern entfernung sehr intensiv beobachten können, sehr genau hingeschaut und wenigstens das bierglas hätte sich neigen müssen, nur ein wenig, wenigstens, oder die oberfläche hätte sich kräuseln müssen, oder das glas runterfallen und mit ihm der erlahmte arm, hegen wir den verdacht, dass da etwas nicht echt ist.

wir sind nicht zufällig hier, spinnen wir weiter und wir trinken nicht zufällig diese getränke, denn wir sind ausersehen diesen typen, den wir nun nicht mehr als typen, sondern in der folge unserer annäherungen (ja, mit der kamera zuerst, mit erst scheuen blicken, dann mit ernsthaften, ernsten, stechenden, sezierenden röntgenblicken, die über die fein geäderte, gearbeitete haut der hände und des halses gleiten, dann mit zaghaften berührungen an den wangen, den borstigen barthaaren, der mütze, den ohrmuscheln, den knorpeln entlang – vergessen wir nicht zu erwähnen: im hintergrund die musik so laut, dass wir uns nicht an sie erinnern werden) als geniales machwerk aus plaste und elaste bezeichnen, zu bezeichnen, das damit – sozusagen im handumdrehen – alle weiteren spekulationen zerstört.

etwas ist nicht echt in diesem raum, und, nachdem wir in das immer noch im selben winkel geneigte glas des typen blasen und sich die oberfläche aus schaumlosem, abgestandenem bier endlich kräuselt, wissen wir, was da nicht stimmt, und die zuschauer dieser szene ahnen es vielleicht sowieso.

nicht nur der typ ist falsch – möglicherweise ist er noch das echteste, was hier ausgestellt wurde. wir sind nicht ganz richtig, alle anderen die falschen, nicht einmal die überfüllten aschenbecher ernst zu nehmen. das einzige, was noch als halbwegs echt, ursprünglich, wahr, wieauchimmer durchgehen könnte, in diesem raum, in diesem augenblick, kommen wir zu dem schluss, sind diese gottverdammten spiegel, die sich überall und immer noch gegenüber stehen. und das könnte uns fast wieder ein bisschen beruhigen, was auch der fall ist.

* zu der skulptur “BARt” von leif bennett in der cargobar

1 so zit. ebd.