Eine Sprache erfinden

oder: ein paar Wörter, die etwas bedeuten (I)

ein kleiner Anschluss an überschreibungen 12a*: Text und Kommentar sind etwas erklärungsbedürftig, vor allem, weil mit grossen Begriffen hantiert wurde. Sie spielen auch durchweg auf die Situation (des Erzählers) des Textes “Dranmor” an (in diesem Kontext muss gelesen werden. (im übrigen: die Abteilung “überschreibungen” setzt sich auch mit vorhandenen und potentiellen Tiefenstrukturen des Textes auseinander)), in dem einige Behauptungen stecken: 1. Man befindet sich in der Phase nach einer Zäsur. (Nachhaltigkeit ist zu diesem Zeitpunkt, in dieser Entwurfssituation vielleicht nur noch in der Form allgemeiner Ironie zu suchen). Es wird gesprochen und erzählt. Das einmal Gesagte und die Interpretationsversuche dessen, sind bedeutungslos, oder auch: wirkungslos. 2. eine (sprachliche oder) semantische Orientierung in die Vergangenheit (welche auch immer) scheitert. 3. Eine neue Sprache, eine bedeutungstragende, muss gefunden (erfunden) werden. (Der Erzähler (und der ganze Roman) übt sich darin). Dies setzt allerdings auch eine neue Wahrnehmung voraus. Eine Zäsur, die eine neue Wahrnehmung beförderte, hat allerdings noch nicht stattgefunden (bis zu/ca. Kapitel 8). 4. Die Position des (Erzählers des) Romans ist nun hauptsächlich die, sich genau in so einer Phase einer („vormodernen“?) Stagnation zu befinden. 5. Wird diese Krise bewältigt, landet der Erzähler (der Leser, der Roman) bald in einer (nach)modernen, quasimythischen Zeit mit neuen Bedeutungsfoci und –elementen (hier endet der Plot). Diese Skizze ist noch etwas abstrakt. Wichtig war mir nur zu betonen, dass – im übertragenen Sinne – eine Dominanz einer alten (oder ursprünglichen) Schule, eines verlässlichen Bedeutungszentrums hierin nicht vorgesehen ist. (z.B.: Der Erzähler wandert, bevor er am Rand des Märchenwaldes ankommt, signifikanterweise durch eine Abfallverbrennungsanlage – Kap. 9). Allerdings gibt es auch keine sichtbare oder ahnbare Ankunft einer Neuen Zeit (und damit: neuen Göttern). In dieser Zeit, jener Zwischenphase also, ist es an dem Leser (wie dem Erzähler im Romanmanuskript) selbst Autor zu werden und sich durch den Text zu arbeiten: Der Fragmentmodus, der grössten Raum lässt für Interpretationen bzw. fast schon das Konzept eines Plots infrage stellt, soll eine Technik sein, die vielleicht solche Effekte erzeugen kann … Vielleicht ist dieser Text damit auch als eine Art Ironisierung des Ringens um Bedeutung in den Zeiten Hartz-IV zu lesen. (…) * und damit unvorhergesehenerweise überschreibungen 12b.

Zettel (sichten, abschreiben, ordnen)

Ich hatte heute nacht wieder nur wenig geschlafen. Und offensichtlich wurden von mir (von wem sonst?) Aufzeichnungen gemacht, sie liegen heute morgen auf meinem Schreibtisch. Dieses Posting finde ich ebenso ausgedruckt auf dem kleinen Zettelberg. Es müsse eigentlich auf die Hauptseite, steht darunter und soll dort noch einmal mit der Bücherkistenthese verknüpft werden

Obiger Text, den du kommentierst, steht im Kontext einer Serie mit dem Titel „Die Träume meiner Frau“ (Kategorie „träume“, vielleicht ist das nicht sofort erkennbar). Sie arbeitet also mit einer Herausgeberfiktion (oder Protokollantenfiktion, wenn man so will). Das „Ich“ des obigen Texts ist, da es sich nicht um ein Vor- oder Nachwort der Serie handelt, also nicht identisch mit dem „Ich“ des Herausgebers oder gar des Autors dieser Serie. Ich, als Autor dieser Serie, gäbe es mich wirklich, kann also zu den so gesetzten Aussagen des obigen Ichs nichts sagen, wäre also der falsche Adressat. So vage, so gut.

Ich glaube aber, deine Frage rührt aber noch an einem ganz anderen Punkt, dem Aufbau der Serie nämlich (gäbe es einen), oder ihrem Konstruktionsprinzip, oder überhaupt: dem Sinn dieses scheinbar heterogenen Textes (der Serie). Ich glaube, diese in dieser Reihe aufgeführten kleinen Formen haben vielleicht so etwas wie ein gemeinsames Muster oder poetologisches Schema. Sie alle kreisen um eine alternative Grammatik des Realen, oder, ich bin mir noch nicht sicher, wie es zu nennen wäre, vergab aber einmal den Arbeitsuntertitel: sind Zufallstexte einer Grammatik des Anderen – ich favorisiere diesen Untertitel immer noch.

Die Träume sind also gar keine Träume, nicht im engsten Sinne, wie wir es vielleicht sofort zu verstehen meinen. Und die Frau des Serientitels ist gar nicht meine Frau, ja nicht einmal eine Frau, eher vielleicht eine Metapher für eine ganz andere Setzung.

Gerade sammle ich also ein paar Formeln und Überlegungen, die sich mit dem Serienganzen beschäftigen und werde sie hoffentlich bald an diesem Ort zur Diskussion stellen. Hoffe, dass diese Hinweise einstweilen reichen …

Dann, die Zettel, ich versuche sie zu entziffern und an unverständlichen Stellen einigermassen sinnvoll zu ergänzen … titele Zettel zwei:

Aus den Aufzeichnungen zur Leserfiktion in „Fred und die Bücherkiste“

der bär (= das ungeheuer)

ist einer fiktion entstiegen

einer lesenden fiktion die durch fiktion abgehalten wird, leser zu fressen

eine fiktion, die übrig bleibt und sich eine fiktionskiste nimmt

der der fiktion entstiegene bär

ist ist also ein leser 2. ordnung

„wir“ werden damit zu lesern 3. ordnung

der leser 1. ordnung (fred) wurde also nur geträumt?

der traum generiert also eine leserfiktion?

und die fiktion eines lesers (2.o.) ist realitätsbildend?

folgt: konsequenterweise verschwindet der leser (2.o.)

folgt die analogie (der übertragung oder verschiebung):

„wir“ (leser 3.o.) = ^ fiktion

zum titel „die träume meiner frau“

(1. verschiebung)

= ^

die fiktion meiner leser

behauptung: die träume oder fiktionalen stoffe sind offensichtlich fiktional, weil an der realität gemessen (sprache).  diese differenz will aber durch die herausgeberfiktion („meiner“) aufgehoben werden.

wesen der fiktion: es gibt eine autorschaft

wesen der realität: es gibt eine herausgeberschaft

(die leserinstanz 2.o., beglaubigt und erhält status der autorschaft)

Ich verstehe diese Bruchstücke nicht mehr. Wird hier ein Problem generiert, das gar keines ist? Oder scheitert hier nur eine Wortfassung eines Problems und damit das Problem?

Auf einem anderen Zettel eine Art Zitat oder Sinnspruch

die träume meiner frau müssen sein, wie ein guter roman. wir dürfen nie erahnen können, was uns im nächsten satz erwartet.

erst so sei sein Realitätsanspruch zu begründen, heisst es – wenn ich richtig lese – auf der Rückseite.

Auf einer weiteren Seite findet sich eine begonnene Liste. Ich gebe sie hier vollständig wieder:

1. die träume meiner frau sind nur behauptete träume

2. der traumbegriff ist ein anderer

3. der herausgeber der träume ist fiktiv und ist es nicht

4. der autor distanziert sich (förmlich) vom herausgeber

5. zur form: …

hier endet die Liste etwas abrupt. Sind etwa die Ideen ausgegangen? Oder war da Angst vor einer Festlegung? Ein paar weitere gerissene Seiten finden sich unter diesem Zettel. Aber die Sonne geht schon wieder unter, und es ist noch soviel Schlaf nachzuholen. Ich beschliesse die Transkription morgen fortzusetzen.

Quellen (2 und 3) zu einer Poetologie der Reihe Die Träume meiner Frau

Bücherkisten, Allegorien

In einem Kinderbuch*, das ich genauso gut jedem Erwachsenen empfehlen möchte, findet sich eine Bildergeschichte mit durchaus literatur- theoretischem Anspruch.

Ich zitiere hier eine Inhaltsangabe von einer einschlägigen Kinder- medienforschungsseite:

Fred findet auf dem Dachboden einen alten Hut (der ihm gut gefällt) und eine Kiste mit vielen alten Büchern (die ihm nicht alle gefallen). Seite um Seite liest er sich durch die verschiedenen Genres der Literatur: Krimis, Kinderbücher, Märchen, Tiergeschichten…. taucht jedesmal ganz ein in die phantastische Welt, die sich da vor ihm auftut – um sie dann für ein nächstes Buch wieder zu verlassen. Hintersinnig und skurril sind es vor allem die comicartigen Bilder, die in wechselnden Szenen von dieser turbulenten Reise quer durch alle Sparten der Literatur erzählen – und zum Selbererzählen anregen!

Fred wird hier als Leser vorgestellt, der eine enorme Reise durch die (Kinder- und Abenteuer-) Literaturgeschichte unternimmt, am Ende aber die Reise unterbricht, mit den Worten Nein danke (…) Jetzt reicht’s. Schluss, aus, Ende. Das war’s., als er das Verfahren der Illusion oder Fiktion als zu billig entlarvt. Das ist aus meiner Sicht aber nur eine, sicher die offensichtlichste Ebene des Textes.

Unterschlagen wird in obiger Inhaltsangabe, dass schon im fünften Bild (!) ein Tier auftauchen wird, ein grosser, kupierter Hund?, ein Bär?, ein bald gefrässiges Ungeheuer, das fortan hinter Freds Rücken lauert und ihm ins Buch schaut, mitliest, und in den Abenteuern empathisch mitfiebert, ja gegenüber Fred, der sicherlich der analytische Leser der Bücher ist, eine starke Identifikation mit dem Geschehen eingeht, und daher völlig vergisst, über die Mahlzeit Fred herzufallen.

Dennoch ist von diesem Ungeheuer, das einer der ersten Lektüren Freds entsprang, nie die Rede (im Paralleltext also). Und trotzdem ist es am Ende das Ungeheuer, das sich Freds verlassene Bücherkiste aneignet, und sich mit dieser beglückt aus dem Staub macht.

Der Leser zweiter Ordnung also, hat bei diesem Plot das letzte Wort. Das wiederum weiss aber nur der Leser, die Leserin dritter Ordnung, also wir. Ein Vexierspiel wird hier aufgemacht, das man noch eingehender analysieren könnte.

Festzuhalten wäre allerdings hier eine (bewusst?) doppeldeutig angelegte Entwicklung, was den Status der Leserfiktionen angeht. Beispiel:

Text/Bild 34: “Und dann, gerade an der spannendsten Stelle, als Fred unbedingt wissen wollte, wie es weitergehen würde …“ (mit der Bildreferenz: der lesende Fred, umringt von grossen, tanzenden Monstern)

Text/Bild 35: ”hörte die Geschichte auf, weil der kleine Junge alles nur geträumt hatte” (mit der Bildreferenz: der vom Buch sich distanzierende Fred sitzt wieder alleine in einem Zimmer)

(Nachtrag zu Text/Bild 33, 41: Das mitlesende Ungeheuer wurde in diesem Bild (33) von den Monstern weggezaubert, taucht aber wieder in Bild 41 auf, um bald die Bücherkiste zu entwenden …)

Nach dieser Lesart hat sich Fred also die Literatur nur erträumt, das diesem Traum (der ersten Fiktion) entsprungene und mitlesende Ungeheuer erlebt diese Träume dagegen hautnah, wird sogar Mithandelnder in den jeweiligen Büchern und bleibt am Ende der Bildergeschichte als einziger übrig (nehmen wir uns einmal von dieser Anordnung aus). In anderen Worten: die vorgestellten Fiktionen werden von Fred als Träume erfahren, und das, obwohl Elemente der Träume/Fiktionen Fred als Lesefigur „überleben“. Oder kürzer: Die Fiktion integriert die vorgestellte Realität, dreht sogar dieses Verhältnis um, d.h. die Fiktion wird hier als Realität wirksam, sodass die gesamte Anordnung, das Erzählgerüst ins Wanken gerät, unter dem Vorzeichen: es gibt nur die Literatur, und wir als Teile von ihr.

Etwas schwieriger wird es freilich, wenn wir uns als Leser dritter Ordnung mit in dieser Konstruktion bewegen. Es gibt die Textebene (in der das lesende Ungeheuer, der empathische Leser zweiter Ordnung nicht auftaucht) und die Bildebene, in der die zwei Leser als Leser und Handelnde gezeigt werden, und wir uns als Leser dritter Ordnung, der der Zusammenschau nämlich, bewusst werden. Am Ende vielleicht sogar diese absurde Konstruktion versuchen zu beschreiben.

Eine logische Konsequenz, was das „Übrigbleiben“ am Ende der Geschichte angeht (und das sind wir, die Leser dritter Ordnung, und unsere Ratlosigkeit, die sich spiegelnden Fiktionsebenen auseinanderzuhalten), wäre die Übertragung dieser Mechanismen auf uns. Wir entdecken die Unmöglichkeit diese Ebenen auseinanderzuhalten und haben die Wahl. Wir legen dieses Buch* zurück in eine Bücherkiste, betrachten alles bisher Gelesene als Traum und verschwinden für immer in unserem Bücherregal (Nein danke (…) Jetzt reicht’s. Schluss, aus, Ende. Das war’s.). Oder wir betrachten uns als unsere eigene Fiktion, nehmen dieses Buch mit uns, und lesen es von Zeit zu Zeit gerne wieder. Ff.

* Könnecke, Ole: Fred und die Bücherkiste. Hamburg, 2002

Quellen (1) zu einer Poetologie der Reihe Die Träume meiner Frau

Thetis-Vorspiel, die stadt – kein zyklus, Die Stadtstreicher. Erste Annäherung

Ich war zunächst perplex, als ich den von Alban Nikolai Herbst heute zugänglich gemachten Text (herzlichen Dank!), das Vorspiel aus seinem Roman “Thetis” gelesen hatte. Tatsächlich sehe ich einige Parallelen. Beim ersten Eindruck die Frage: hatte ich unwissentlich plagiert (geht das?), liest sich doch ”die stadt – kein zyklus” (dskz), zumindest die Thesen oder “bemerkungen”, wie ich sie nannte, wie ein Substrat des dort Vorgestellten. Ich aber will, daß Raum fürs Ungeheure bleibe, sagt eine Stimme dieses Textes. Und das hätte ich eigentlich für dskz auch gerne akklamiert.

Gemeinsamkeiten finden sich in der Tat sehr schnell. Naturgemäss auf dem Feld der mit einer Stadt assoziierten Begriffe und Wörter. Auf nächster Ebene mit ihrer grossflächigen Raumteilung (oben/unten, den Rändern, dem Zentrum etc.), ihrer Infrastruktur oder auch dem dort Hör- und Schmeckbaren, den Geräuschen und Gerüchen einer Stadt.

ANH entwirft in seinem Prolog ein vielstimmiges Bild. Es gibt ein Ich. Es gibt diverse Figuren (wie es anfangs scheint) und verschiedene Namen für die Stadt und ihre Stadtteile. Doch die Stadt erhält eine Vorzugsbenennung: Buenos Aires. Aber sie ist auch Berlin oder liegt in Afrika …

Sie ist wenigstens drei verschiedene Städte.

Und die Verdichtung dieser zu DER Stadt dieses Romans wird breit und sinnlich aus verschiedenen Perspektiven beschrieben bzw. wahrgenommen.

Eine Stadt muß Zeitsprünge machen. Zeit wie ein Ding, das sich durch die Prozesse hindurch bewahrt und doch nicht unverändert bleibt. Ganz so, wie ich täglich meine Haarfarbe wechsle: Wer in die Anderswelt tritt, verliert die Stetigkeit der Zeit.

Auffallend ist die Nicht-Linearität der Zeit in und der synästhetische Zugang zu jener Modellstadt. Überall flirrt es, überall könnte eine Parallelwelt (mindestens) sein.  Das Gefühl eines Dufts knapp vor Rom.

Die Stadt in „Thetis“ ist auch eine Allegorie und präsentiert sich beispielsweise als Frau. Die U-Bahn ist ihr Unterleib, an einer Stelle. An einer anderen reibt sie sich das Bindegewebe aus den Augen. Eine beeindruckende Exposition, die natürlich auf den ganzen Roman, die Trilogie, neugierig macht.

Es war natürlich nicht meine Absicht in dskz dieses Verfahren zu kopieren. Auch wenn hier vielleicht ebenfalls eine Verdichtung, hier in der Form einer Substratbildung, einer Summierung formelhafter Aussagen über eine, über DIE Stadt, stattfindet.

Aber: Man sucht vergeblich nach einem Erzähler. Die Aussagen über die Stadt sind teilweise paradox und hängen plakativ wie Schilder über dem Stadttor.

Es ist ein behauptetes Regelwerk von jemandem, der so selbstbewusst auftritt, als hätte er die Mechanismen der Stadt durchschaut. Es ist ein so paragraphenhafter Beschrieb eines Gebildes, als sollten die aufgestellten Behauptungen für immer gelten, als seien sie schon immer gültig gewesen.

dabei sind die gestalten die stadtteile der stadt. also bewegt sich die geographie um sie, und jene verlassen nicht ihren ort. also bewegt sich der raum und nicht seine körper.

(…)

die ordnung der stadt ist nicht diejenige der nichtstadt, auch land genannt. dort lagern die unverbrauchten zeiten und ungesprochenen sprachen der stadt.

Die Summierung scheint auf den ersten Blick beliebig. Tatsächlich ergibt sich aus dem Kontext der Serie (gemeint sind die seltsamen „gestalten“ der Stadt) eine gewisse Symmetrie oder ein strukturierteres Bild. Natürlich treten die „gestalten“ aber nur neben der so vorgegebenen Verfassung auf. Schaut man genau hin, könnten diese fünf (geistesgeschichtlichen) Epochen oder Phasen zugeordnet werden (ein bisschen muss daran noch gearbeitet werden …), und: ihr Auftreten, die Vorangegangene mit der Folgenden und vice versa, ist in jeweils bestimmter Weise verknüpft.

Was bei ANH auf die Frage „Wer spricht?“ vielleicht geantwortet werden könnte: viele, alle – beantwortetet sich bei dskz etwas anders. Ist im Thetis-Prolog der Ort des Sprechens oder Wahrnehmens (noch viel radikaler ist es im 2. Band der Trilogie) kaum zu greifen aufgrund der vielen Möglichkeiten, ist bei dskz kein Ort auszumachen, woher dieses Echo der Aussagen über die Stadt kommen könnte. Vielleicht kann man aber in beiden Fällen doch von einem ortlosen Ort und einem ortlosen Rauschen sprechen.

Im einen Fall sind es die Dinge und Personen der Stadt, deren Äusserungen und Wahrnehmungen sich zu einem mächtigen Rauschen überlappen. Im anderen sind es die Aussagen über die Stadt selbst, die das Stadtgeräusch bilden. Einem Rauschen von im Hintergrund vorgeblich wirkenden Gesetzlichkeiten, die allein die Stadt als Ort ausmachen sollen.

Das reizt mich auf, dich neu zu erfinden, heisst es an einer Stelle im Thetis-Prolog. Vielleicht könnte man im Falle von dskz von einem Zurückerfinden, einem Zurückfinden, von einem aufs knappste Zurückstutzen sprechen, oder, um die beiden Verfahren zu vergleichen: steht auf der einen Seite eine poetische und narrative Auffächerung DER Stadt, einer bis zur Unkenntlichkeit aufgeladenen Verzerrung (natürlich kann man VIELE Städte darin erkennen, aber mit der Preisgabe der Individualität, wie es bei Allegorien der Fall ist), muss vielleicht auf der anderen Seite von einer Eindampfung bis aufs Skelett gesprochen werden.

Soweit eine erste Annäherung. Ich freue mich auf weitere Hinweise …

Markus A. Hediger nahm und nimmt sich dskz vor und schreibt sich, wie er sagt, in dieses Aussagensystem hinein. Die Stadtstreicher, eine Leibes- und Liebesgeschichte um Mr. Woo und Kattarina, nimmt sich besagtes Skelett oder Regelwerk vor und bemalt die vakanten Räume der Stadt. dskz bekommt darin die Rolle eines „strukturellen Rauschens“, einer Rauschkulisse oder Leinwand zweier weiterer Akteure.

Ich bin gespannt, was Hediger daraus macht …