Schon fliege ich, schon flattere ich gierig durch die Nacht.

Die heutige Sprache der Liebe beschreibt die Funktion einer Apparatur. Sie zielt auf ein Optimum, sie sucht die Formel.

Mit technischem Raffinement, mit Präzision hält man fest an einer groben Idee: Liebe müsse so justiert werden, daß sie uns dient.

Schon fliege ich, schon flattere ich gierig durch die Nacht.

Und bald gelingt es mir auch, am Tage kopfunter in ihrer Höhlenwelt zu hängen.

Man könne nicht nicht-kommunizieren, heißt es, jedes Schweigen sei beredt. Und so bleibt das absolute Wort, alles sei Kommunikation, geschwätzig leer.

Wenn sie wäre, wie ich sie denke, wenn ich sie dächte, wie sie ist. Ach, welch ein Hegelsches Ende der Liebe!

Die Durchsichtigkeit ihrer Fragen, das Schattenlose ihrer Antworten.

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Aus Verschüttetem, Vergessenem die Kunst.

Aus Verschüttetem, Vergessenem die Kunst. Alles Schöne war verloren.

Wie fürchten wir immer noch das Flüchtige! Wir Atavistischen des Tiefen, Festen, Klaren!

In ihren ersten Wünschen, Träumen, ihrem Sehnen lösen, weiten sie sich, in den geheimsten, verborgensten aber, in ihrem Innigsten, fallen sie zurück, regiert wieder der Kleisterklumpengeist.

Freundschaft und Arroganz: es gibt auch Menschen, deren Möglichkeit wir gegen sie selbst zu verteidigen haben.

Alles Selbstverständliche könnte als eine einst erstarrte Natürlichkeit begriffen werden: als Petrifikation.

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Dem Mikroskopischen mißtrauen.

„Komm”, flüsterte sie, “folge mir!” Und als sie mich küßte, sich ihre Augen schlossen, träumte sie schon von unserer Einsperrung in ihre Zelle – sie war eine Häftlingsgestalt mehr, nur eine Freigängerin der Liebe.

Oft ist mir, das Leben sei rätsellos. Wir aber suchten, ein Problem zu begreifen, nach einer Lösung. Dies bleibt das Geheimnis.

Ihre unglückliche Liebe ihres Lebens. – Sie zittert, sie weint, sie schämt sich, schlägt die Hände vors Gesicht und stammelt, sie könne es mir nicht erklären! – Ah, wie schön sie dann ist, die Idiotin!

Wie sie sich ihrer erwehrt, verzweifelt nach der Sprache sucht, die sie längst spricht.

Sie legen ihre Scheuklappen ab, um befreit ins Reich der blinden Flecken zu galoppieren.

Dem Mikroskopischen mißtrauen: im feinen, nahen Gewusel verliert sich das Grobe des Blicks.

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Alles Verdrängte kehre wieder.

Pornographie: Inszenierung einer Geisteshaltung mittels diverser Körper in Bewegung. Systematische Choreographie, rituelles Spektakel des Einförmigen, Vorhersehbaren: es zeigt ständig orgiastisch Zuckendes, Erstarrtes, repetitiv animiert.

Pornographie und “Joghurt mild”. – Zwei Momente, zwei Versprechungen der zeitgenössischen Sinnlichkeit. Die eine: immer verfügbare, immer absolute Lust, d. h. vollkommene Freudlosigkeit. Die andere: eine Wahrnehmungszauberei, nur mehr die Illusion, der Aberglaube an Konsistenz, Farbe, Geruch, Geschmack, d.h. eine Sinnlichkeit ohne Reize.

Alles Verdrängte kehre wieder. Als Phrase aber meist, als Euphemismus.

Erkennen gipfele in einem Urteil. Und fällt mit ihm zurück in den Spalt, aus dem es kroch.

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Die Einzelne beansprucht immer, das ganze zu sein.

Wie fremd ist mir die ideale Frau! – Das Ideal ist nicht teilbar, mannigfaltig zu finden. Die Einzelne beansprucht immer, das ganze zu sein. Stimmte ich ihr zu, begegnete ich jeder als Unmöglichkeit.

Versöhnung: Als blickten wir aus dem Paradies am Ende auf jenes andere im Anfang zurück.

Der Dress-Code der Geschäftsleute zeigt Variationen. Ihr Denken trägt die Uniform. Insofern ist der Business-Suit nur äußerlich.

Die Fingernägel der Geschäftsleute. – Überall beschneidet sie der Standard, bestimmt Form und Kürze. Und dies Diktat der properen Maniküre weiß noch die Spuren der Verschandelung zu vermeiden: dem Beiß- und Kauzwang in Krisenzeiten wird das Objekt genommen. Wie dem Autoaggressiven das Ich.

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